Literaturszene an der Adria : Slowenien hofft auf neuen Schub für kleinen Buchmarkt
Slowenien bringt als diesjähriges Gastland mehr als 70 Autoren zur Buchmesse. In seinem Programm setzt es auf Lyrik - und Bienen.
"Waben der Worte" - unter dieses ungewöhnliche Motto hat Slowenien seinen Auftritt als Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gestellt. Wer dabei an Bienen denkt, liegt richtig, aber nicht nur, weil das waldreiche Land gemessen an seinen zwei Millionen Einwohnern so viele Imker hat wie kaum ein anderer EU-Mitgliedstaat. Die Lage des kleinen Landes zwischen Mittelmeerraum, Alpen, Pannonischer Tiefebene und Balkan, am Schnittpunkt von vier europäischen Sprachgruppen - der slawischen, romanischen, germanischen und finno-ugrischen - hat außerdem eine Kultur hervorgebracht, die denen der Bienen sehr ähnelt.
Inzwischen gibt es viele Bücher slowenischer Schriftsteller in deutscher Übersetzung.
Das finden zumindest die Organisatoren des Gastlandauftritts: "So wie die Bienen unermesslich weit in die Welt hinausfliegen, um mit einem Tropfen Nektar und einem Pollenkorn heimzukehren, so kamen auch verschiedene kulturelle, künstlerische und intellektuelle Einflüsse in die slowenische Sprache und die slowenische Kultur", schreiben sie in der Pressebroschüre des Ehrengast-Programms. Und erzählen, dass slowenische Intellektuelle und Schriftsteller wegen der geringen Anzahl Slowenisch sprechender Menschen und der geografischen Lage schon immer traditionell mehrsprachig gewesen seien. Viele von ihnen würden zudem in mindestens einer Fremdsprache schreiben.
"Um in diesem Raum zu überleben, mussten die Slowenen fest in ihrer Kultur verankert und gleichzeitig weltoffen sein", erklärt Miha Kovac, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Ljubljana und einer der Kuratoren des slowenischen Gastauftritts. "Die slowenische Literatur war immer am besten, wenn es ihr gelang, dies zu vereinen."
Slowenien verkauft immer mehr Autorenrechte ins Ausland
Kovac war 1988 zum ersten Mal in Frankfurt, damals gab es am jugoslawischen Stand nur rund 200 Buchtitel aus Slowenien und kein einziges Autorenrecht wurde ins Ausland verkauft. "Heute haben wir jährlich etwa 200 unterzeichnete Verträge für die Übersetzung von slowenischen Büchern - ein riesiger Fortschritt, der größtenteils in den vergangenen 20 Jahren passiert ist", freut er sich.
In den Frankfurter Messehallen präsentiert sich Slowenien ab dem 18. Oktober in einem 2.300 Quadratmeter großen Ehrengastpavillon - dem Motto folgend in Form einer Wabe, die komplett aus recyceltem oder wiederverwendbarem Material gebaut wurde. Im Zentrum steht eine Ausstellung von aktuellen und übersetzten Titeln slowenischer Autoren und Büchern über das Gastland; ein inhaltlicher Schwerpunkt soll auf Lyrik liegen. Dazu kommt ein buntes Programm mit Lesungen und Kunstinstallationen in der ganzen Stadt, am 19. Oktober wird etwa die slowenische Band Laibach in der Jahrhunderthalle ein exklusives Deutschland-Konzert geben. Insgesamt werden mehr als 70 Autorinnen und Autoren aus Slowenien in der Messestadt erwartet.
Literatur hat hohen Stellenwert
In Titos Jugoslawien war das Land die wirtschaftlich stärkste Republik. Anfang der 1950er-Jahre wurde das Monopol des sozialistischen Realismus in der Kunst abgeschafft, das Verlagswesen florierte und modernste Buchdruckereien entstanden. Welchen Stellenwert Literatur in Slowenien hatte und bis heute hat, ist nicht nur daran erkennbar, dass auf den Euromünzen zwei Persönlichkeiten dargestellt sind, die eng mit Büchern verbunden sind: der Dichter France Preseren und der Priester Primoz Trubar, im 16. Jahrhundert Autor des ersten slowenischen Buches. Auch für viele Slowenen ist das Buch sprichwörtlich "die beste Freundin". Einige kaufen es, aber noch mehr leihen es sich in öffentlichen Bibliotheken aus, von denen es im ganzen Land zahlreiche gibt.
Schon als bekannt wurde, dass Slowenien 2023 als drittes slawisches Land Gastland der Frankfurter Buchmesse sein würde, habe das dem kleinen Buchmarkt einen besonderen Schub verpasst, betonen die Organisatoren. So seien zwischen 2019 und 2022 mehr als 600 slowenische Werke in verschiedene Sprachen übersetzt worden, fast dreimal so viele wie vor Beginn der Vorbereitungen. Etwa ein Fünftel davon sei deutschsprachig gewesen, was für die Autoren besonders wichtig ist, denn auf eine deutsche Übersetzung folgen in der Regel Übersetzungen in andere Sprachen. Den höchsten Anteil daran, nämlich 20 bis 30 Prozent, schätzt Miha Kovac, habe der Philosoph und Kulturtheoretiker Slavoj Zizek von der renommierten Ljubljana Schule für Psychoanalyse. Aber auch Lyrik und Kinderbücher verkaufen sich gut. Autoren wie Drago Jancar, Ales Steger, Andrej Blatnik und Evald Flisar wurden schon in mehrere Sprachen übersetzt. Ana Marwan, Trägerin des Ingeborg-Bachmann-Preises, und Maja Haderlap leben beide in Österreich und schreiben ihre Romane und Gedichte schon seit Jahren erfolgreich auf Slowenisch und Deutsch. Der im italienischen Triest lebende Dusan Jelincicc schreibt auf Slowenisch und Italienisch.
Trotzdem bleibt Slowenien ein äußerst kleiner Buchmarkt und die Verlage haben trotz des wachsenden internationalen Erfolgs slowenischer Literatur zu kämpfen. Ihre Zahl habe sich im Laufe des Jahrzehnts halbiert und die Autorenhonorare seien auf ein Viertel gesunken, schrieben sie 2019 am Welttag des Buches in einem offenen Brief.
Gastland hofft auf Wendepunkt für kleinen Buchmarkt
Die Organisatoren in Frankfurt hoffen nun, dass der Gastlandauftritt zu einem Wendepunkt wird und das Interesse an Büchern, die in kleineren, "aber lebendigen und dynamischen Buchkulturen entstehen", weiter verstärkt. "Slowenien", schreiben sie, wirke wie die Bienen auf den ersten Blick "klein und marginal". Doch bei beiden trüge der Schein: "Die Welt ist groß, schön und bunt, vor allem dank marginaler Lebewesen und Kulturen."
Milan Ilic berichtet als Auslandskorrespondent aus Wien für die slowenische Tageszeitung "Delo".