Kurz rezensiert: "Kapitalismus ohne Demokratie" : Ungewöhnliche Rechtsräume
Der kanadische Ökonom Quinn Slobodian zeigt, wie Konzerne ihre Einnahmen in Freihandelszonen, Zollfreibezirken und Steueroasen verstecken.
Wird es im Jahr 2150 auf unserem Planeten 1.000 Länder geben oder nur noch 20? Oder werden es nur noch ein oder zwei Staaten sein? Was, wenn das Schicksal der Menschheit von der Antwort auf diese Frage abhinge, fragt der kanadische Historiker und Ökonom Quinn Slobodian in "Kapitalismus ohne Demokratie".
International bekannt wurde Slobodian mit seinem Bestseller "Globalisten". Darin skizzierte er die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Menschheit nach dem Ende der Imperien und dem Aufkommen des Neoliberalismus. Im Einzelnen analysierte er die Versuche der "Globalisten", sowohl das Kapital und die ökonomische Entwicklung als auch die demokratischen Willensbildungsprozesse mit Hilfe internationaler Organisationen der staatlichen Kontrolle zu entziehen.
Legitime Wege, um Reiche noch reicher zu machen
In seinem aktuellen, spannenden Buch erläutert Slobodian, welche legitimen Wege geschaffen wurden, um die Reichen noch reicher zu machen. Dazu hätten einige "willfährige Regierungen" in den letzten 40 Jahren mit der Gründung von weltweit 5.400 Zonen mit "ungewöhnlichen Rechtsräumen" und "eigentümlichen Zuständigkeitsbereichen" beigetragen. Es handelt sich um Stadtstaaten, Freihandelszonen, Enklaven, Freihäfen, Technologieparks, Zollfreibezirke oder Innovationszentren. "Die Welt der Nationalstaaten ist übersät mit Zonen - und deren Einfluss auf die Politik der Gegenwart beginnen wir gerade erst zu verstehen", betont Slobodian.
In solchen Zonen verstecken transnationale Konzerne ihre Einnahmen. Den Verlust an Steuereinnahmen in den USA durch die Flucht von Unternehmensgewinnen in solche Zonen beziffert Slobodian auf 70 Milliarden Dollar jährlich. Allein in Offshore-Steueroasen würden 8,7 Billionen Dollar gehortet. Auf einigen Karibik-Inseln seien mehr Unternehmen als Einwohner registriert. Dort seien diese "Briefkastenfirmen vollkommen legal, ein alltäglicher Bestandteil des globalen Finanzsystems".
Quinn Slobodian: Kapitalismus ohne Demokratie.
Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen.
Suhrkamp,
Berlin 2023;
427 S., 32,00 €