Glosse : Ausgeschlafene Soldaten
Künftig dürfen Bundeswehrsoldaten eine Stunde länger schlafen. Der Personalmangel machts möglich. Die Geschichte zeigt: Nicht immer fängt der frühe Vogel den Wurm.
Millionen junger Rekruten haben es gehasst: Zu nachtschlafender Zeit, noch lange bevor der Hahn auf dem Mist krähte, dröhnte bereits das gefürchtete "Kompanie aufstehen!" des Unteroffiziers vom Dienst durch den Kasernenblock. Der Wecker stand da gerade erst auf 05:30 Uhr. Während sich brave Christen im warmen Bett allenfalls zum ersten Mal genüsslich auf die andere Seite drehen, wuchtete sich die verpennte Truppe von der Matratze, verfluchte den Kompaniefeldwebel und alle anderen frühen Vögel, um nach Morgenhygiene, Frühstück und einem ersten Stuben-und-Revier-Reinigen pünktlich um 07:00 Uhr in Reih und Glied anzutreten. Frisch rasiert mit blitzeblanken Stiefeln. Und stets stand die Frage aller Fragen in den müden Augen: "Warum?"
"Statt 08/15 heißt es jetzt 0800 beim Bund."
Weil das schon immer so war beim Barras, ist wohl die einzig ehrliche Antwort. "08/15" eben, wie es der Schriftsteller Hans Hellmut Kirst in seiner gleichnamigen Roman-Trilogie beschrieben hat. Doch damit soll nun Schluss sein: Statt 08/15 heißt es jetzt 0800 beim Bund. Zumindest probeweise für die glücklichen Rekruten einer Fallschirmjägereinheit, die zukünftig erst um 08:00 antreten müssen und somit eine Stunde mehr Schlaf bekommen.
Hintergrund für dieses "Projekt 0800" ist die Erkenntnis, dass das frühe Aufstehen für viele Rekruten wohl eine der wesentlichen Gründe ist, ihre militärische Karriere bereits in der Probezeit wieder zu beenden. In Zeiten der Personalknappheit muss auch die Bundeswehr die Menschen da abholen, wo sie liegen - eben nur eine Stunde später. Militärisch macht das ja auch Sinn. Das wusste schon der alte Marschall Blücher und erschien mit seinen Preußen erst am späten Nachmittag bei Waterloo. Das hat gereicht, um Napoleon zu schlagen. Der Mann war eben ausgeschlafen.