Ortstermin: Gedenkstätte in Bernburg : "Den Opfern ein Gesicht geben"
In Bernburg ließen rund 14.000 Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten sowie KZ-Häftlinge ihr Leben. Eine davon ist die als "Lesbierin" verhaftete Mary Pünjer.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei ihrem Besuch der Gedenkstätte in Bernburg an der Saale. Dort ließen rund 14.000 Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten sowie Häftlinge aus den Konzentrationslagern ihr Leben.
Der Boden ist schwarz-weiß gekachelt, die Wände weiß gefliest. An der Decke finden sich Leitungen zu "Duschköpfen", durch die Kohlenstoffmonoxid strömte. Sie sind mit dem Nachbarraum verbunden, in dem das Gas aufbewahrt wurde. "15 Flaschen brauchte es für eine Gaskammer", erzählt die Leiterin der Gedenkstätte für Opfer der NS-"Euthanasie" Bernburg an der Saale, Ute Hoffmann, als sie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) Mitte Januar durch die historischen Kellerräume der seit 1989 zugänglichen Gedenkstätte führt.
Gaskammer ging 1940 in Betrieb
Die als Duschraum getarnte Gaskammer in der Gedenkstätte, die sich auf dem Gelände eines psychiatrischen Krankenhauses befindet, ist erschreckend gut erhalten. 1940 ging sie in Betrieb. Hier ist bis heute zu sehen, mit welchen einfachen baulichen Mitteln eine Mordaktion, mit der vermutlich zwischen 50 und 60 Menschen gleichzeitig getötet werden konnten, realisiert wurde. Hoffmann führt auch durch den Sammelraum, in dem das Personal Kleidung und persönliche Dinge sortierte, durch den Sektionsraum, in dem Gehirne einzelner Opfer entnommen wurden und den Leichenraum hin zum Krematorium mit den Öfen, das heute ein stiller Gedenkort ist.
Hier gedachte Bas der zwischen 1940 und 1943 rund 14.000 in Bernburg ermordeten Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten sowie Häftlingen aus den Konzentrationslagern. Denn: Die Gedenkstunde des Bundestags am 27. Januar steht im Zeichen der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität im Nationalsozialismus verfolgt wurden. "Es ist für mich wichtig, an dem Ort zu sein, an dem eine Protagonistin ermordet wurde", sagte Bas mit Blick auf Mary Pünjer (1904-1942), deren Biographie in der Gedenkstunde vorgestellt werden soll. Es sei spät und habe lange gebraucht, bis sich das Parlament diesem wichtigen Thema gewidmet habe, aber es sei nicht zu spät, betonte Bas.
Foto-Wand in Gedenkstätte gibt Opfer ein Gesicht
Pünjer wurde 1940 als verheiratete Frau unter dem Vorwand der "Asozialität" als "Lesbierin" verhaftet und nach ihrer Verurteilung im KZ Ravensbrück interniert. Dort wurde sie Anfang 1942 aufgrund der ihr unterstellten lesbischen Neigung und ihrer jüdischen Herkunft für die Mordaktion "Aktion 14f13" selektiert. Am 28. Mai 1942 wurde sie in Bernburg ermordet.
Von vielen Opfern ist jedoch kaum mehr als ihr Geburtsdatum bekannt. Um ihnen ein Gesicht zu geben, ist in der Gedenkstätte eine Foto-Wand errichtet worden. Auch Mary Pünjer hat seit dem Besuch der Bundestagspräsidentin ein eigenes Foto. Angefangen habe es mit Bildern aus Krankenakten, dann kamen private Bilder von Angehörigen hinzu. 92 Prozent der Opfer seien erfasst, nach einigen suche sie immer noch, berichtet Hoffmann. Um auch den Angehörigen etwas mitzugeben, schafft die Künstlerin Mareen Alburg Duncker in Bernburg zudem Gedenkschmuck für einige Opfer. Ihr Ziel: Durch die Beschäftigung mit den Lebensläufen die Persönlichkeiten über Schmuckstücke sichtbar zu machen. "Ich möchte den Opfern ein Gesicht geben und so ein Stück ihrer Würde zurückzugeben", sagt sie.