Ortstermin im Mauer-Mahnmal : Die Stasi und ihre Dokumente
Die Stasi war die Geheimpolizei der DDR. Eine Ausstellung zeigt nun Zeugnisse ihre Handelns: Schriftstücke, Tonbänder und Fotos - und offenbart tragische Schicksale.
Hinter der Vitrine sind zwei Blätter vergilbtes Toilettenpapier zu sehen. Die Schrift auf dem kantig abgerissenen Stück Papier lässt sich auch hinter den Gläsern noch gut erkennen. Darauf steht: 1. Mai 1988. Sylke Glaser verbringt ihren zweiten Tag in Haft in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Rostock. Sie hat es geschafft, einen Kugelschreiber in ihrer Zelle zu verstecken. Um die Isolation auszuhalten, macht sie sich Notizen über ihre Zeit im Gefängnis - jedenfalls so lange, bis sie entdeckt wird und die Wachen Stift und Papier beschlagnahmen.
Ausstellung zieht weiter nach Hannover, Kiel und Schwerin
Das Toilettenpapier ist eins von 21 Objekten, die derzeit in der Wanderausstellung "Alles Wissen Wollen. Die Stasi und ihre Dokumente" des Stasi-Unterlagen-Archivs zu sehen sind. Ihren Auftakt hatte die Schau am Dienstagnachmittag im Mauer-Mahnmal des Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Dort kann sie bis zum 28. April 2024 besucht werden. Anschließend zieht die Ausstellung weiter, unter anderem nach Hannover, Kiel und Schwerin.
Eröffnet wurde die Ausstellung von Evelyn Zupke, der SED-Opferbeauftragte des Bundestages. Wenn in diesem Jahr gleich zwei große Jubiläen in Deutschland gefeiert werden - der 75. Geburtstag des Grundgesetzes und 35 Jahre Mauerfall - wolle sie ganz besonders "einen Blick auf die Menschen richten, die im geteilten Deutschland nicht die Möglichkeit hatten, die durch das Grundgesetz garantierten Rechte wahrzunehmen". Denn die Erfahrungen dieser Menschen seien wertvoll und können einen Beitrag zu Demokratie und Gestaltung des Rechtsstaates leisten, so Zupke.
Überwacht und abgehört: Zeitzeuge berichtet
Rund 40 Jahre lang überwachte der Nachrichtendienst der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit (kurz Stasi), Bürgerinnen und Bürger, hörte sie ab, spionierte sie aus. In der Ausstellung gibt es neben Notizen von politischen Gefangenen, Fotos von verwanzten Hotelzimmern, Dienstausweise von sogenannten inoffiziellen Mitarbeitern oder Dokumente über die offizielle Anordnung zur Stasi-Aktenvernichtung im November 1989. Jedes einzelne Exponat ist Zeugnis des Handelns der Stasi und bringt den Besucherinnen und Besuchern neben historischen Hintergründen auch persönliche Schicksale näher.
Zeitzeuge Mario Röllig berichtet bei der Ausstellungseröffnung im Gespräch mit der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke von seinen Erfahrungen mit der Stasi.
Einer, der von der Stasi bespitzelt und abgehört wurde, ist Mario Röllig. Er war bei der Ausstellungseröffnung als Zeitzeuge zu Gast und berichtete im Gespräch mit der SED-Opferbeauftragten Zupke von seinen Erfahrungen. Aufgrund eines Fluchtversuches aus der DDR wurde Röllig 1987 im zentralen Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert.
Vor seiner gescheiterten Flucht hatte die Stasi noch versucht, den damals 19-Jährigen als inoffiziellen Mitarbeiter anzuwerben - denn Röllig hatte einen Freund aus West-Berlin, der für die DDR von Interesse war. Aber Röllig weigerte sich, seinen Freund auszuspionieren. Fortan wurde er von der Stasi massiv unter Druck gesetzt. Bei Einsicht in seine Stasi-Unterlagen 1997 erfuhr Röllig, dass er unter anderem von seinem besten Freund bespitzelt worden war. Röllig sagt, heute könnten die Stasi-Akten dabei unterstützen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Gleichzeitig könnten sie dazu dienen, aktuelle totalitäre Tendenzen zu verhindern.
Auch die SED-Opferbeauftragte Zupke ist dankbar dafür, dass die Stasi-Akten gesichert wurden. Für Zupke sei das "ein Geschenk der friedlichen Revolution an die heutige demokratische Gesellschaft".
Die Wanderausstellung des Bundesarchivs "Alles Wissen Wollen. Die Stasi und ihre Dokumente" wird vom 24. bis zum 28. April 2024 in den Räumen des Mauer-Mahnmals im Bundestag präsentiert und ist täglich von 11 bis 17 Uhr öffentlich zugänglich. Der Eintritt ist frei.