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Foto: picture alliance/dpa/Maurizio Gambarini
Das Inventar einer Zelle in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt ist erhalten geblieben.

Ortstermin: Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen : Zeugnisse des Unrechts

Die Gedenkstätte-Berlin Hohenschönhausen ist einer der wichtigsten Erinnerungsorte für Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft.

19.06.2023
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3 Min

Der Raum ist knapp zehn Quadratmeter groß. Eine schmale Holzpritsche steht in der rechten hinteren Ecke, an der Wand ist ein kleiner Hängeschrank angebracht. Auf der anderen Seite des Zimmers befinden sich eine Toilette und ein Waschbecken, daneben stehen ein kleiner Tisch und ein Hocker. Das "Fenster" am Kopfende des Raumes ist aus Glasbausteinen; so dringt Licht zwar nach innen, aber man kann nicht nach draußen sehen. So sieht eine von über 200 Zellen in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Hohenschönhausen aus. Mehr als 11.000 politische Gefangene saßen dort von 1951 bis 1989 ein. Die häufigsten Haftgründe: Flucht und Fluchthilfe. Eine der Gefangenen war Monika Schneider. Auch sie wurde wegen versuchter Republikflucht festgenommen und verbrachte drei Monate in Untersuchungshaft in Hohenschönhausen.

Taktik: Unwissen über den eigenen Aufenthaltsort

Die damals 26-Jährige versuchte 1983 illegal über Prag aus der DDR auszureisen. Sie hatte sich in einen Mann aus Westberlin verliebt. Der hatte ihr einen westdeutschen Pass mit ihrem Foto besorgt, so sollte die Ausreise gelingen. Das einzige Problem: Im gefälschten Pass fehlten die offiziellen Stempel. Also kontaktierte Monika Schneider einen Freund, der als Grafiker arbeitete. Er sollte die Stempel nachzeichnen. Doch der Grafiker entpuppte sich als inoffizieller Mitarbeiter des MfS. Am Bahnhof in Prag wurde Monika Schneider dann festgenommen und mit einem als Lieferwagen getarnten Fahrzeug nach Hohenschönhausen gebracht. Damals wusste sie jedoch nicht, wo sie sich befand. Isolation und Desorientierung waren erprobte Methoden in solchen Untersuchungsgefängnissen der DDR. Das Unwissen über den eigenen Aufenthaltsort sollte die Inhaftierten in den täglich stattfindenden Verhören zum Reden bringen.

Erst in den frühen 2000er Jahren erkannte Monika Schneider den Ort ihrer Inhaftierung durch Zufall bei einem Tag der offenen Tür des nun in eine Gedenkstätte umgewandelten Gefängnisses wieder. Später erhält sie Einsicht in ihre Akten und ihre Annahme, dass sie in Hohenschönhausen eingesessen hatte, bestätigte sich. Mittlerweile arbeitet Monika Schneider seit mehreren Jahren in der Gedenkstätte Hohenschönhausen als Zeitzeugin. Ihr ist wichtig, dass das Geschehene nicht vergessen wird. Besonders bei Schulklassen, die sich das Leben in der DDR kaum vorstellen können, sagt sie: "Erreicht man einen einzigen in der Gruppe, dann war das Erzählen meiner Geschichte erfolgreich."

Zeitzeugin wünscht sich mehr staatliche Unterstützung 

Wenn Monika Schneider heute Besuchergruppen durch das ehemalige Stasi-Gefängnis führt, geht es ihr gut. Sie sagt: "Jetzt weiß ich, dass ich am Abend wieder gehen kann, das Haus hat keine Macht mehr über mich." Dennoch plagen sie manchmal Albträume ihrer Inhaftierung. Anderen ehemaligen Inhaftierten und Opfern der SED-Diktatur gehe es jedoch deutlich schlechter. Einige könnten bis heute nicht über Erlebtes sprechen oder hätten gesundheitliche Folgeschäden. Wenn Betroffene Anträge auf Entschädigung stellen, würden diese häufig abgeschmettert oder erst nach jahrelangen Prozessen gezahlt, erzählt Schneider. Sie würde sich hier mehr staatliche Unterstützung wünschen.

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Dass die Folgen des Unrechts aufgearbeitet werden und die Opfer ausreichend entschädigt werden, fordert auch die SED-Opferbeauftragte beim Bundestag, Evelyn Zupke. Am vergangenen Dienstag übergab sie ihren Jahresbericht an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). In diesem fordert Zupke unter anderem eine "Erleichterung bei der Beantragung und Bewilligung von Hilfen und Leistungen für Opfer der SED-Diktatur" und die Einrichtung eines bundesweiten Härtefallfonds.