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Ortstermin: Fachgespräch der SED-Opferbeauftragten : "Wir waren einfach nur Material"

Rund 250.000 Personen waren von 1945 bis 1989 aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone und DDR inhaftiert. Betroffene berichten im Bundestag.

28.11.2022
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2 Min
Foto: DBT/photothek/Joerg Carstensen

Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen: Bei einem Gespräch mit der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke (rechts) berichten die Zeitzeugen Birgit Krüger und Frank Hermann von ihrem Alltag als politische Häftlinge in der DDR.

Birgit Krüger wiegt nur noch 52 Kilo, als sie im Mai 1979 ins DDR-Frauengefängnis Hoheneck im Erzgebirge gebracht wird. Sieben Monate saß sie da bereits in Untersuchungshaft. "Staatsfeindliche Hetze, Staatsverleumdung, staatsfeindliche Verbindungsaufnahme und Beeinträchtigung der staatlichen Behörden in ihrer Tätigkeit", lautet das Vergehen. Zwei Jahre und drei Monate das Strafmaß. In Hoheneck wird die junge Frau zur Arbeit gezwungen, muss für den volkseigenen Betrieb Elmo Waschmaschinengehäuse bearbeiten. Noch heute erinnert sie sich an die Dämpfe, den Schmutz, die Hitze. "Die Zustände in diesem Keller waren katastrophal."

Rund 250.000 politische Häftlinge unter SED-Diktatur

So erzählt sie es an einem Donnerstag Ende November im Bundestag. Während des Fachgesprächs "Aufarbeitung der Zwangsarbeit politischer Häftlinge in der DDR", zu dem die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke und die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft eingeladen haben, schildert sie ihre Geschichte. Geboren 1945 in Sachsen-Anhalt lernt Krüger mit Anfang zwanzig ihren späteren Ehemann, einen Berliner, kennen und zieht mit ihm nach Ost-Berlin. Die beiden wollen raus aus der DDR. 1976 stellen sie ihren ersten Ausreiseantrag, ohne Erfolg. Sie versuchen es weiter, schreiben an die Vereinten Nationen, bitten die Gesellschaft für Menschenrechte um Hilfe. Dann werden sie verhaftet.

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Krüger ist eine von rund 250.000 politischen Häftlingen, die es von 1945 bis 1989 in der Sowjetischen Besatzungszone und der SED-Diktatur gegeben hat. Die allermeisten mussten wie sie Zwangsarbeit leisten. "Das war ein wesentlicher Bestandteil des Strafsystems in der DDR zur Erziehung und Bestrafung politischer Gefangener", sagt die Psychologin Stefanie Knorr von der Beratungsstelle "Gegenwind" für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur. Ziel sei es gewesen, die Widerstandsfähigkeit der Inhaftierten zu brechen. "Sie sollten für ihr oppositionelles Verhalten bestraft werden."

Haftarbeit in der DDR widerspricht Völkerrecht

In der Haft produzierten die Gefangenen laut Historiker Tobias Wunschik nicht nur Waren für die DDR, sondern auch für westdeutsche Firmen. Von Fotoapparaten für Quelle bis Strumpfhosen für Aldi. Dabei widersprach die Haftarbeit in der DDR klar dem Völkerrecht, urteilt der Historiker.

Gewaltandrohungen, Schikanen und Demütigungen gehörten zum Alltag. Auch zu dem von Frank Herrmann. Er wurde verhaftet, als er mit Freunden aus der DDR fliehen wollte. "Zwanzig Monate Freiheitsentzug", sagt er, legt die Brille ab und reibt sich über die Augen. In der Haft muss er in der Galvanik arbeiten, einem chemischen Verfahren zur Metallveredelung. Eine Schulung gibt es nicht. Ebenso wenig Schutzhandschuhe oder Brillen. "Wir waren einfach nur Material, Menschen-Material."

Viele litten bis heute an den Folgen der Haft, sagt Zupke. An die Abgeordneten appellierte sie, sich für die Aufarbeitung und die Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden einzusetzen. Das sei schließlich keine Frage Ostdeutschlands, sondern eine gesamtdeutsche Aufgabe.