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Ukrainischer Parlamentspräsident im Bundestag : "Die Ukraine ist Europa"

Der Parlamentspräsident der Ukraine, Ruslan Stefantschuk, betont die deutsch-ukrainische Verbundenheit und fordert weitere Waffenlieferungen für sein Land.

07.06.2022
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3 Min
Foto: BDT/Thomas Imo/photothek

Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk (Mitte) zu Gast im Bundestag. Er warb im Gespräch unter anderem mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (zweite von rechts) für einen EU-Beitritt seines Landes.

Vor dem Krieg hat Ruslan Stefantschuk Anzug und Krawatte getragen. Nun, 99 Tage nach dem Beginn des russischen Angriffs auf sein Land, steht der Parlamentspräsident der Ukraine in Militärkluft vor den Abgeordneten des Bundestages und schüttelt erst mal viele Hände. Reihum läuft der 46-Jährige durch den voll besetzten Anhörungssaal im Marie-Elisabeth-Lüders Haus, um jeden und jede herzlich zu begrüßen, bevor er sich zu Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ans Mikrofon setzt.

Vertreter der Ukraine fodert höheres Tempo bei Waffenlieferungen

Stefantschuk ist das erste Mal seit Ausbruch des Krieges wieder im Ausland, und dass diese Reise ihn ausgerechnet nach Berlin führt, um Bas, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu treffen und mit Abgeordneten des Europa- und Auswärtigen Ausschusses zu sprechen, ist kein Zufall, wie er deutlich macht. Deutschland unterstütze die Ukraine nicht nur in ihrem Kampf gegen Russland und durch die Aufnahme von rund 800.000 Geflüchteten, es sei auch "das Land, an dem sich andere orientieren". Und auf Deutschland als Taktgeber - darauf hofft die ukrainische Führung immer dringlicher. Erneut forderte Stefantschuk die Bundesregierung in Berlin zu mehr Tempo bei der Lieferung effizienter Waffen auf, denn: "Das sind Tage der Entscheidung." Jeder Kriegstag koste rund hundert ukrainische Soldaten und viele Zivilisten das Leben.

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Den Bundestag bat der Jurist und frühere Hochschullehrer, sich in einer Resolution explizit für die Aufnahme seines Landes als EU-Kandidat auszusprechen. Stefantschuk, ein enger Vertrauter von Präsident Wolodymyr Selenskij und im Oktober 2021 zum Parlamentspräsidenten gewählt, hofft, dass die EU-Mitgliedstaaten der Ukraine bereits auf ihrem Gipfel Ende Juni den offiziellen Status als Beitrittskandidaten verleihen. "Die Ukrainer warten auf die Anerkennung Europas", stellte er klar. "Die Ukraine ist Europa." Skeptikern wie dem Bundeskanzler hielt er entgegen, dass sein Land keinesfalls auf ein beschleunigtes Verfahren dränge, sondern die Kopenhagener Kriterien für einen Beitritt vollständig umsetzen wolle. "Wir wissen, dass wir dafür noch viel tun müssen", sagte Stefantschuk. "Aber wir werden Ihre Erwartungen erfüllen."

Im Mariupol bisher mindestens 50.000 Zivilisten getötet

Bas und die Abgeordneten signalisierten mit Ausnahme der Mitglieder der AfD-Fraktion breite Unterstützung für diesen Wunsch. So nannte der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), den Kandidatenstatus "dringend geboten", auch als Signal gegenüber Russland. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), wies zugleich darauf hin, dass es im Bundestag noch keine abgestimmte Haltung dazu gebe und die Fraktionen erst über einen gemeinsamen Antrag beraten müssten.

Nach Stefantschuks Worten applaudierten die Abgeordneten lange stehend. Still wurde es jedoch im Saal, als der fraktionslose Abgeordnete für den Wahlkreis Mariupol im Kiewer Parlament, Serhij Taruta, den Abgeordneten von den Zuständen in der Hafenstadt berichtete. Seinen Schätzungen zufolge seien in den Trümmern der von Russland besetzten Metropole mindestens 50.000 Zivilisten qualvoll gestorben, darunter rund tausend Kinder. Es werde "geraubt, gemordet und vergewaltigt" und das "mitten in Europa". Der Unternehmer, der durch den Krieg einen Großteil seines Vermögens verloren hat, warb angesichts dieser "barbarischen Taten" ebenfalls mit Nachdruck für einen EU-Beitritt der Ukraine. Alle Europäer müssten Verantwortung übernehmen, betonte er. Deutschland, versprach er, werde dabei nichts verlieren, "sondern viel mehr gewinnen".