Ortstermin : Die Urschrift des Grundgesetzes zieht um
Zwanzig Jahre wartete Bundestags-Archivarin Angela Ullmann darauf, die Urschrift des Grundgesetzes in ihre Sammlung aufzunehmen. Im März 2023 war es soweit.
Im März 2023 übergab der Direktor des Deutschen Bundestages Michael Schäfer (Mitte) die Urschrift des Grundgesetzes an Parlamentsarchivarin Angela Ullmann (rechts).
Entschlossenen Schrittes laufen die Parlamentsarchivarin Angela Ullmann und ihr Kollege durch das unterirdische Erschließungssystem im Parlamentsviertel; vorbei an Abgeordneten, die an diesem Mittwochnachmittag im März in den Plenarsaal eilen. "Ich werde nie wieder so etwas wertvolles tragen", sagt Daniel Mahlack und blickt auf den brauen Karton in seinen Händen. Von außen nicht zu erkennen, befindet sich darin ein einzigartiges Stück deutscher Parlamentsgeschichte: Von Polstermaterial und eigener Kassette geschützt, liegt dort die Urschrift des Grundgesetzes.
Jenes Dokument, das der Parlamentarische Rat am 8. Mai 1949 verabschiedete und 19 Tage später unterzeichnete. Das rund 1,4 Kilogramm schwere Buch mit Lesebändchen in Deutschlandfarben ist mit Pergament überzogen. Auf dem Einband steht in goldenen Lettern "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland".
Bislang lagerte die Urschrift des Grundgesetzes im Direktorbüro
20 Jahre hat Ullmann darauf gewartet, die Urschrift in das Parlamentsarchiv überführen zu dürfen, um sie dort konservatorisch angemessen aufzubewahren: "In gewisser Weise bedeutet diese Übergabe heute, dass das Archiv dadurch komplett ist", sagte Ullmann.
Bislang wurde die Urschrift in einem Safe in den Räumen des Direktors des Deutschen Bundestages aufbewahrt. "Wir werden es hüten wir unseren Augapfel", sagte Ullmann, als Direktor Michael Schäfer ihr wenige Minuten zuvor die Urschrift überreichte. Beide trugen dabei weiße Handschuhe, um das Dokument nicht zu beschädigen.
Es war der erste Direktor des Bundestages, Hans Troßmann, der das Originalschriftstück nach der Unterzeichnung an sich nahm und später in seinem Büro verwahrte, schreibt der Historiker und Experte in Sachen Urschrift, Michael Feldkamp. Troßmanns Nachfolger behielten diese Praxis bei. Die Öffentlichkeit bekommt das Dokument - außer bei einer Ausstellung anlässlich seines 20-jährigen Bestehens 1969 in Bonn - nur bei den Vereidigungen von Bundespräsident und -kanzler zu sehen.
Faksimile als Geschenke
Im Fall von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hielt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Urschrift in der Hand, aufgeschlagen auf der Seite mit dem Amtseid. Bei den ersten Vereidigungen habe die Urschrift einfach auf dem Tisch gelegen, später hätten einige Kanzler und Präsidenten sie auch selbst in den Händen gehalten, schreibt Feldkamp. Bei der Vereidung von Ministerinnen und Ministern wird nicht das Original, sondern ein Faksimile des Grundgesetzes eingesetzt. Faksimile sind Nachbildungen, die " etwas von der Aura und dem Nimbus" des Originals vermitteln sollen, schreibt er. Konrad Adenauer (CDU), damals noch Präsident des Parlamentarischen Rates, entschied bereits in der Schlussphase der Beratungen, Faksimile unter anderem für die Mitglieder des Rates anfertigen zu lassen - im Unterschied zum Original allerdings mit rotem Einband. Seitdem sind immer wieder Faksimile angefertigt worden - inklusive Unterschriften und Fettflecken. Zu besonderen Anlässen dienen sie auch als Geschenk für Politikerinnen und Politiker; aber auch für Besucherinnen und Besucher. So erhielt die dreimillionste Besucherin sowie der fünf-, und sechsmillionste Besucher des Bundestages jeweils ein Faksimile.
Um das Original werden sich in Zukunft die Mitarbeitenden des Parlamentsarchivs kümmern. Sicher verwahrt in einem Panzerschrank liegt es dort in den Magazinräumen. Zunächst wird es laut Ullmann auf grobe Schäden untersucht, dann soll eine neue Verpackung sowie eine klimatisierte Transportbox angefertigt werden, damit das Dokument noch lange erhalten bleibt.