Parlamentarisches Profil : Der Dynamische: Johannes Vogel
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP über das Zusammenspiel von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Freiheit und den Gestaltungshunger seiner Fraktion.
So viel politische Erfahrung passt selten in 39 Jahre: Parteiämter, Mandate, Leitung einer Agentur, wieder Mandate - und nun die Wahl zum Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) der FDP-Fraktion im Bundestag. Die 93 Prozent Zustimmung scheinen Johannes Vogel beflügelt zu haben, jedenfalls klingt seine Stimme am Telefon euphorisch. "Der Parteitag hat den Koalitionsvertrag mit 92 Prozent angenommen. Auch in der Fraktion spüre ich viel Gestaltungshunger."
Johannes Vogel ist stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.
Diese Sichtweise des 39-jährigen ist etwas optimistisch. Vogel engagiert sich seit Jahren für eine inhaltliche Verbreiterung der FDP, gerade in der Sozialpolitik. Nun, in der Koalition mit SPD und Grünen, ist der Rheinländer Rot-Grün näher als mancher Parteifreund es ist. "Die FDP hat sich in den vergangenen Jahren massiv inhaltlich und personell verbreitert", sagt er. Und mit Blick auf das Jahr 2013, als die FDP bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte: "Uns als Traditionspartei half auch die Chance einer Neudefinition in der Zeit der außerparlamentarischen Opposition. Der außerparlamentarische Bildungsurlaub war damals tragisch, erwies sich aber als segensreich."
Koalitionsverhandlungen: Mehr als die Summe aller Teile
Dass die FDP bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin mehr durchs Neinsagen aufgefallen sei, möchte er nicht so stehenlassen: "Wir wollten eine Koalition der Mitte. Wir wollen dabei nicht nur verhindern, sondern gestalten und einen Aufbruch. Dass uns das gelungen ist, sieht man etwa beim Bürgergeld, beim Einstieg in eine Aktienrente und bei einer mutigen Klimapolitik." Bei den Verhandlungen habe man versucht, "möglichst viele klare Entscheidungen zu fällen, statt uns mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu blockieren. Zudem haben wir auch versucht, voneinander zu lernen und mehr zu schaffen als die Summe aller Teile."
Für Vogel fing es früh an mit der Politik. Mit 16 ging er zu den Jungen Liberalen (JuLis), ein Jahr später trat er der FDP bei. "Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das mir vermittelte: Nicht alles ist selbstverständlich, und unsere stabile Demokratie ist ein Privileg." Vor seinem Wechsel zu den JuLis hatte er sich ein Jahr lang bei den Grünen engagiert. "Von den Grünen zog es mich weg, weil ich ein Liberaler bin", sagt er. "Wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit gehören für mich zusammen. Je mehr ich mich mit auch Wirtschaft und Finanzen beschäftigte, desto weniger überzeugten mich die Grünen."
Dann ging alles recht schnell. 2004 zog er als jüngstes Mitglied in den Kreistag des Rheinisch-Bergischen Kreises ein. Ein Jahr später wurde Vogel zum Bundesvorsitzenden der JuLis gewählt, 2009 wurde er Bundestagsabgeordneter - bis 2013. 2014 wählten ihn die Liberalen zum Generalsekretär in Nordrhein-Westfalen, 2017 glückte der Wiedereinzug in den Bundestag; zwischendurch hatte Vogel in der Bundesagentur für Arbeit gearbeitet und dann die Arbeitsagentur in Wuppertal-Solingen geleitet. Es überrascht also nicht, dass Soziales und Arbeitsmarktpolitik seine Hauptarbeitsfelder im Bundestag sind.
Keine Lager mehr im Parteiensystem
Schon früh hatte Vogel vor Augen, dass sich die FDP zur Bürgerrechtspartei entwickeln solle, mit dem damaligen Parteichef Guido Westerwelle lieferte er sich Rededuelle über den Großen Lauschangriff. Heute, mit der fortgeschrittenen Liberalisierung auch in der Gesellschaft und der Aufsplitterung der Parteienlandschaft in Parteien, die allesamt weit entfernt von 40 Prozent der Wählerstimmen sind, sieht Vogel im Parteiensystem keine Lager mehr. "Eine Zukunft haben nur eigenständige Parteien."
Der neue PGF redet schnell und freimütig. Nur bei einem Thema hält sich Vogel bedeckt. Es geht um China und die Frage, ob die neue Bundesregierung die Olympischen Winterspiele wegen der mannigfaltigen Menschenrechtsverletzungen diplomatisch boykottieren solle. Er kennt das Land ein bisschen, hatte 2014 dort einen mehrmonatigen Sprachaufenthalt. Doch viel will er dazu nicht sagen: "Meine Fraktion wird sich dazu eine Meinung bilden. Dem werde ich nicht vorgreifen."