Parlamentarisches Profil : Der Rastlose: Christian Görke
Mit 60 Jahren ist der Finanzexperte Christian Görke Neuling im Parlament. Politische Erfahrung hat der Linken-Abgeordnete trotzdem seit vielen Jahren.
Zufrieden lehnt er sich an zurück. Im Garten der Parlamentarischen Gesellschaft scheppert es, Arbeiter bauen Tische und Stühle ab - Spuren des Sommerfests am vergangenen Abend, für Christian Görke ging es bis zwei. Nun, siebeneinhalb Stunden später bestellt er sich einen Kaffee. "Das war wie ein Versehrtentreffen", scherzt er, "ein Therapieabend für Ex-Abgeordnete". Er hat gut reden: Görke, 60, ist Parlamentsneuling, aber alles andere als frisch in der Politik.
Christian Görke (Linksfraktion) ist seit 2021 Mitglied des Bundestages und sitzt im Finanzausschuss und im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung.
Viel Zeit bleibt nicht, Görke wird in seiner Partei (Die Linke) gebraucht, in einer halben Stunde muss er nach Erfurt, zum Parteitag. Natürlich mit der Bahn. Denn die fährt er aus Prinzip.
In der im Osten Deutschlands tief verankerten "Linken" gibt es viele, die sich mit der Region gut auskennen. Auch Görke kennt sie, aus verschiedenen Perspektiven. Er saß jahrelang im Kreistag, im brandenburgischen Landtag und war schließlich Finanzminister. "Einen Punkt habe ich damals, neben den vielen Tagesaufgaben, unterschätzt: Dass die Leute durchaus bereit sind, aus den Autos auszusteigen." Für Brandenburgs Bahnen sieht er große Potenziale ("perfekt mit Berlin in der Mitte") und nicht mindere Defizite ("von 300 Bahnhöfen sind nur 100 barrierefrei"). Und im Speziellen in seiner Lausitz keinen benachteiligten Standort, sondern einen "voller Herausforderungen".
"Wir brauchen Industriearbeitsplätze"
Eine Region im Umbruch. Bisher stark im Kohleabbau verankert, soll ihr der Ausstieg mit viel Geld erleichtert werden. "Geld ist aber das eine, Umsetzung das andere", sagt er. "Wir brauchen Industriearbeitsplätze, aber ich sehe nur Schneckentempo." Und er bedauere, dass Kohlegelder zweckentfremdet würden, der Region nicht zugutekommen. Überhaupt: "Wir sollten weniger über Kohleausstiegszeiten reden, sondern darüber, wie wir aussteigen können." Bei diesem Tempo, würde es länger dauern. Und lässt unklar, ob es ihm gefiele oder nicht.
Mit Geschwindigkeit hat er es. Gestern hielt er drei Reden im Bundestag, die Fraktion ist ausgedünnt und Finanzexperten sind rar. "Ich bin schon jetzt der Dampfplauderer der Fraktion." Seine zweite Vorliebe: Gestaltungsmöglichkeiten. 1987 trat der in Rathenow Geborene in die SED ein. "So jung war das nicht üblich, aber ich wollte gestalten, die SED war eine Mehrheitspartei." Ein bisschen Opposition zum Elternhaus sei auch dabei gewesen, der Vater war bei der CDU, wurde nach der Wende auch stellvertretender Landrat - und der Sohn zog in den Kreistag ein; "vielleicht war es Zufall, dass ich gewählt wurde, mein Vater und ich haben ja den gleichen Namen." In der DDR, sagt er, habe es ihm an nichts gefehlt, "außer der Freiheit". Es sei gut, schiebt er nach, dass der Staatssozialismus sein Ende gefunden habe.
Vom Landtag in Brandenburg in den Bundestag
Die Politik schmeckte ihm. Der Lehrer für Geschichte und Sport wechselte 2003 in den Landtag, wurde Parlamentarischer Geschäftsführer, Fraktionschef und Landesvorsitzender der Partei. Die Landtagswahl 2019 brachte herbe Verluste und dem damaligen Finanzminister den Gang in die Opposition; Zeit für eine Neuorientierung. "Mich reizte der Bundestag", sagt er. "Die Stellschrauben sind größer. 98 Prozent aller Steuern werden hier beschlossen." Also der Wechsel in die Bundespolitik, mit Platz eins auf der brandenburgischen Landesliste.
Für Brandenburgs Wirtschaftsminister ist die Tesla-Ansiedlung nur ein Beispiel für die Reindustrialisierung des Ostens.
Hohe Kosten, zu wenig Fachkräfte: Der Standort Deutschland hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Doch es gibt auch positive Entwicklungen, besonders im Osten.
Im Finanzausschuss traf er dann alte Bekannte. Zwar sei Opposition auch in Berlin ein Ritt gegen Windmühlen, "das bestätigen mir auch die Kollegen von der Union", und er gehe abends todmüde ins Bett, "aber morgens stehe ich mit Elan auf". Außerdem sei er selbstbestimmter. "Als Landesfinanzminister wurde ich zwar gepampert, war aber ein Opfer meines Terminkalenders." Auch heute stoße er an zeitliche Grenzen, "aber ich kann selbst entscheiden, ob ich etwa am Montag oder am Dienstag in Rathenow bin."