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Parlamentarisches Profil : Die Mitnehmende: Sandra Weeser

Sandra Weeser, Vorsitzende des Bauausschusses, will den Wohnungsbau wieder attraktiver machen. Bei der "Baukrise" sieht die Liberale das Glas grundsätzlich halbvoll.

22.03.2024
2024-03-22T14:20:25.3600Z
3 Min

Als sie im vierten Stock des Paul-Löbe-Hauses per Knopfdruck die Jalousien runterfahren lässt, erwartet man sogleich eine Spitze gegen die anderen Koalitionsparteien, ein vertrauliches Kopfschütteln. Doch bei Sandra Weeser, Abgeordnete der FDP aus dem rheinland-pfälzischen Betzdorf, geschieht das Gegenteil. Hört man der Vorsitzenden des Bauausschusses zu, erinnert die Schilderung des Ampel-Bündnisses aus ihrer Arbeitsperspektive an ein Loblied.

Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin

Die Liberale Sandra Weeser mahnt, die Innenstädte nicht zu vergessen: Dort könne noch viel in Wohnraum umgewandelt werden, sagt die Vorsitzende des Bauauschusses.

Kanzler Olaf Scholz und seine Forderung nach neuen Wohnquartieren auf der grünen Wiese? "Bin in der Sache bei ihm, es muss nur vernünftig gemacht werden - und unsere Innenstädte dürfen nicht vergessen werden, da kann man noch viel in Wohnraum umwandeln." Und Bauministerin Klara Geywitz? "Wir haben ein gutes Verhältnis, sind beide eher pragmatische Typen." Beim Thema Bauen ist wenig Zwist aus der Koalition zu vernehmen. "Wir sind uns ja in allen Fraktionen einig, dass wir mehr bezahlbaren Wohnraum brauchen", sagt Weeser. "Und da haben wir im Bund auch einiges vorgelegt, bei dem nun die Länder nachziehen müssen."

In einer Zeit, in der die Medien nur noch von der "Baukrise" schreiben, sieht Weeser grundsätzlich das Glas halbvoll, es scheint eine Lebenseinstellung zu sein. Weeser lächelt beim Reden viel, schaut und hört hin, wirkt zugewandt. Eine Vertrautheit stellt sich rasch ein.

Weeser mischt Analysen mit Lösungsansätzen für Probleme

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Jedenfalls mischt sich bei ihr Analyse mit Problemlösungsideen. "Staatliche Vorgaben sind zu verschlanken, etwa über Steuern oder Baugenehmigungen", sagt sie und spricht über Wohnungsbauanträge, die nach drei Monaten künftig bei noch ausstehendem Bescheid automatisch als genehmigt gelten sollen, oder über die Möglichkeit, Wohnraum näher an Gewerbe heranrücken zu lassen. "Verzweifeln gilt nicht." Das klingt etwas sehr optimistisch an einem Tag, an dem die Morgennachrichten im Radio von einer durchschnittlichen Zimmermiete in einer WG von 760 Euro in München reden. "Es ist verrückt," sagt sie, "Bauen muss attraktiver werden." Die Liberale in ihr zeigt sich beim Einwand, der Staat könne doch Mieten begrenzen. "Damit verringert sich die Schlange der Wohnungssuchenden auch nicht."

Viel erlebt, viel gesehen

Viel erlebt hat Weeser bisher. Nach einer dualen Ausbildung zur Betriebswirtin zog es sie nach Frankreich, dort war sie bei einem Airbus-Zulieferer für den Einkauf zuständig. Dann rief der Vater an, Unternehmer in dritter Generation. Er wollte die Nachfolge regeln. "Ich überlegte lange, weil mir das Leben in Frankreich gut gefiel. Aber dann reizte mich die Selbständigkeit doch mehr." Von 2004 bis 2011 leitete sie den Familienbetrieb, gründete in der Zwischenzeit mit ihrem französischen Ehemann einen Weinladen; was schmeckt eigentlich besser: Chardonnay oder Silvaner? "Ersterer natürlich, obwohl ich zuweilen Gewissensbisse bekomme", antwortet sie ehrlich. 2011 wechselte Weeser zu einem US-Konzern vor Ort, wurde bald mit der Vertriebsleitung betraut. 2016 dann übernahm sie die Vizepräsidentschaft der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz, einer oberen Landesbehörde.


„Mein Vater zwang mich in die Junge Union, aber nach sechs Monaten trat ich wieder aus - der Laden war mir zu statisch.“
Sandra Weeser (FDP)

"Jeder Chef ist nur so gut wie seine Leute", sagt Weeser. Sie wolle starke Leute um sich herum. "So gesehen bin ich keine typische Politikerin. In der Politik geht es oft mehr um Machterhalt und weniger um die Sache." Dennoch wechselte sie in dieses Revier. Seit 2017 sitzt Weeser für die FDP im Bundestag, wurde Vorsitzende des Bezirksverbands Koblenz. "Mein Elternhaus war eher konservativ, mein Vater zwang mich in die Junge Union", lacht sie, "aber nach sechs Monaten trat ich wieder aus - der Laden war mir zu statisch." Politisch war es für Weeser wieder geworden, weil sie sich als Unternehmerin gegen die Zwangsmitgliedschaft in der IHK sträubte und daraufhin eingeladen wurde, für deren Vollversammlung zu kandidieren.

Und was wird noch kommen? Sie lugt durch die Jalousien auf den Reichstag. "Vorstellen kann ich mir vieles - vielleicht zieht es uns irgendwann wieder nach Frankreich, wer weiß." Vielleicht einen pfälzischen Weinladen in Toulouse? Sie lacht. "Das wäre ein ambitioniertes Geschäftsmodell."