Mindestlohn wird angehoben : Ab Oktober sind zwölf Euro die unterste Lohngrenze
Der Mindestlohn steigt mit einem Sprung um 22 Prozent. Arbeitsminister Heil sieht "spürbare Verbesserung im Portemonnaie".
Ab Oktober steigt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland auf zwölf Euro pro Stunde. Gleichzeitig wird die Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobs auf 520 Euro erhöht und an die Entwicklung des Mindestlohns gekoppelt. Dem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/1408, 20/1916) stimmte in der vergangenen Woche neben den Ampelfraktionen auch die Linksfraktion zu. Union und AfD enthielten sich.
Obwohl die Erhöhung auf zwölf Euro im Grunde bei allen Fraktionen auf Zustimmung stößt, scheinen aber nur SPD und Grüne mit der Gesetzesänderung rundum zufrieden zu sein. Die FDP nimmt die politische Festlegung des Mindestlohns eher zähneknirschend hin, freut sich aber über die von ihr forcierte Anhebung der Verdienstgrenzen bei Minijobs. Letzteres kritisiert die Linksfraktion heftig, weil es die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns konterkariere, wie es in einem Antrag der Fraktion (20/1503) heißt.
Die Union hält den politischen Eingriff zur Festlegung der Höhe des Mindestlohns ohne die Einbindung der Mindestlohnkommission für falsch und hat das auch in einem Entschließungsantrag (20/2057) formuliert, der ebenso wie der Linken-Antrag aber keine Mehrheit fand. Die AfD verweist auf die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale durch die Erhöhung.
Um die Gesellschaft zusammenzuhalten, brauche es anständige Löhne, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu Beginn der Debatte am vergangenen Freitag . Daher sei die Erhöhung des Mindestlohns richtig. Für sechs Millionen Menschen in Deutschland seien die 22 Prozent mehr "möglicherweise der größte Lohnsprung in ihrem Leben". Profitieren würden davon viele Frauen und viele Menschen in Ostdeutschland. "Wer bisher den Mindestlohn von 1.700 Euro brutto im Monat verdient, bekommt zukünftig 2.100 Euro", rechnete Heil vor. Das sei noch nicht die Welt, räumte er ein. Es sei aber spürbar eine Verbesserung im Portemonnaie.
Union kritisiert "Entmündigung der Sozialpartner"
Die Union habe überhaupt nichts gegen einen Mindestlohn von zwölf Euro, betonte Hermann Gröhe (CDU). "Wir reichen aber nicht die Hand für die Entmündigung der Sozialpartner", fügte er hinzu. Schon die ehemalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe bei der Einsetzung der Mindestlohnkommission vor einem "politischen Mindestlohn" gewarnt, weil dieser laut Nahles "Willkür und Populismus Tür und Tor öffnet", erinnerte Gröhe.
Von einer Entmündigung der Sozialpartner oder einem schweren Eingriff in die Tarifautonomie könne keine Rede sei, entgegnete Beate Müller-Gemmeke (Grüne). In den unteren Lohnbereichen sei die Tarifautonomie gar nicht mehr existent. Es gebe kaum noch Tarifverträge, weshalb die Menschen von ihren Löhnen kaum noch leben könnten. Daher müsse die Politik eingreifen. "Nicht die Erhöhung des Mindestlohns sondern die Flucht aus der Tarifbindung ist ein Angriff auf die Tarifautonomie", sagte die Grünenabgeordnete.
Mehr Tariftreue forderte auch Dagmar Schmidt (SPD). Daher sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass öffentliche Aufträge des Bundes künftig nur an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen. "Lohndumping darf kein Wettbewerbsvorteil sein", betonte Schmidt.
Linke lehnt Minijob-Ausweitung als "Teilzeit-Falle" ab
"Die Ausweitung der Minijobs lehnen wir entschieden ab", machte Susanne Ferschl (Linke) deutlich. Minijobs verdrängten reguläre Jobs und seien nicht sozial abgesichert, sagte sie. Vor allem Frauen würden nach wie vor in der Teilzeit-Falle stecken. "Minijobs sind und bleiben arbeitsmarktpolitisch und gleichstellungspolitisch ein völliger Irrweg", urteilte Ferschl. Mit Blick auf die auch von ihrer Fraktion begrüßte Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro forderte die Linken-Abgeordnete "mehr und wirkungsvollere Kontrollen" zu seiner Einhaltung. Benötigt werde dazu eine tagesaktuelle manipulationssichere Arbeitszeiterfassung.
FDP warnt vor einem Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn
Die FDP habe mit dem Mindestlohn ihren Frieden gemacht, sagte Lukas Köhler (FDP). Das Problem sei aber der Überbietungswettbewerb, der dadurch entstehe, dass die Höhe politisch gesteuert werden solle. Seine Fraktion, so Köhler, habe dafür gesorgt, dass dies künftig nicht mehr der Fall ist. Positiv bewertete der FDP-Abgeordnete die Erhöhung der Einkommensgrenzen bei den Minijobs. Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland hätten dadurch eine bessere Perspektive und mehr Geld.
Aus Sicht von Norbert Kleinwächter (AfD) ist es angemessen, auf zwölf Euro hochzugehen, "aber gleichzeitig auch sehr gefährlich". Damit werde die Lohn-Preis-Spirale gesteigert. Das sei nicht die Lösung, befand Kleinwächter. Nötig sei der Mindestlohn ohnehin nur wegen der illegal ins Land geholten Migranten, die zu einer Konkurrenz auf dem Niedriglohnarbeitsmarkt und damit zu einer Absenkung des Lohns geführt hätten, sagte er.