Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes : Koalition will mehr Sicherheit für Betriebsräte
Die Bundesregierung will das Betriebsverfassungsgesetz ändern und präzisere Vorgaben für die Vergütung von Betriebsräten einfügen.
Wer in einer Firma zum Betriebsrat gewählt wird, übernimmt ein unentgeltliches Ehrenamt. Betriebsräte sind von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, sie dürfen nicht weniger verdienen "als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung". Sie dürfen "wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden", so steht es im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Die Bundesregierung will diese gesetzlichen Vorgaben nun weiter präzisieren und hat dazu eine Änderung des BetrVG in den Bundestag eingebracht, die am Freitag in erster Lesung beraten wurde. Anlass ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023, das in der Praxis zu Rechtsunsicherheiten und vermehrt zu präventiven Kürzungen von Betriebsratsvergütungen geführt hat. Laut BGH kann es den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllen, wenn der Arbeitgeber gegen das Begünstigungsverbot verstößt. Dieser Verunsicherung will die Regierung nun mit der Gesetzesnovelle abhelfen.
Betriebsräte haben die Interessen der Beschäftigten im Blick und sind ein wichtiges Instrument der demokratischen Mitbestimmung.
Dazu ist vorgesehen, den Paragrafen 37 des BetrVG zu ergänzen, indem der Begriff "vergleichbarer Arbeitnehmer" konkretisiert wird. Maßstab für die Entlohnung wie bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer soll der Zeitpunkt sein, zu dem das Betriebsratsamt übernommen wurde, es sei denn, eine spätere Neubestimmung ist sachlich begründet. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen in einer Betriebsvereinbarung "vergleichbare Arbeitnehmer" definieren können. Kommt eine solche Vereinbarung zustande, soll sie nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können.
Ergänzt werden soll auch der Paragraf 78 durch den Hinweis, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die betrieblichen Anforderungen dafür erfüllt.
Minister Heil lobt Arbeit der mehr als 100.000 Betriebsräte
In der Debatte sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der Gesetzentwurf sorge für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Er gehe auf Vorschläge einer von ihm eingesetzten Fachkommission zurück, nachdem unterschiedliche Rechtsprechungen von BGH und Bundesarbeitsgericht für Unsicherheit in den Betrieben gesorgt hätten. Heil würdigte die Arbeit der mehr als 100.000 Betriebsräte in Deutschland: "Wer sich für Demokratie einsetzt, darf nicht der Dumme sein."
Vertreter der Koalition, der Union und der Linken unterstützten das Vorhaben. Für die SPD-Fraktion machte Jan Dieren deutlich, dass sich die Vergütung eines Betriebsrats nun an der Lohnentwicklung vergleichbarer Beschäftigter orientieren müsse. Michael Gerdes (SPD) verwies darauf, dass als Folge der Rechtsunsicherheit nicht nur Vergütungen gekürzt, sondern sogar Rückzahlungsforderungen gegenüber Betriebsräten erhoben worden seien.
Frank Bsirske (Grüne) betonte, es werde ein umfassendes Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot normiert, das ausdrücklich die berufliche Entwicklung der Betriebsratsmitglieder umfasse. Carl-Julius Cronenberg (FDP) hob die "innere und äußere Unabhängigkeit" der Betriebsräte hervor. Nur so könne sichergestellt werden, dass Vereinbarungen nicht durch materielle Vorteile beeinflussbar sind.
Union signalisiert Zustimmung, vermisst aber Modernisierungsvorschläge
Zustimmung signalisierte auch Axel Knoerig (CDU), der allerdings Modernisierungsvorschläge vermisste, etwa im Hinblick auf Online-Betriebsversammlungen. Für Maximilian Mörseburg (CDU) darf die Änderung der Regeln nicht dazu führen, dass die Unabhängigkeit der Betriebsräte eingeschränkt wird.
Aus Sicht von Gerrit Huy (AfD) bleibt "Vetternwirtschaft" nach wie vor möglich, die Staatsanwaltschaft dürfe nicht tätig werden. Auch bei "offensichtlicher Begünstigung" von Betriebsräten sei nicht zu erwarten, dass Anzeige erstattet wird.
Susanne Ferschl (Die Linke) begrüßte den Gesetzentwurf, der nun im Ausschuss für Arbeit und Soziales weiterberaten wird. Sie hätte sich nach eigener Aussage mehr gewünscht, etwa dass bei der Vergütung sämtliche Qualifikationen und die Amtsdauer berücksichtigt werden.