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Bundestag debattiert über KI-Verordnung der EU : Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz
In einer öffentlichen Anhörung und in einer Debatte über zwei Oppositionsanträge werden die Regeln der EU zur Künstlichen Intelligenz kritisch bewertet.
"Der Rechtsakt über Künstliche Intelligenz ist wahrscheinlich das wichtigste digitale Dossier, das derzeit in Brüssel diskutiert wird." Mit diesem Zitat aus einem Bericht des "Tagesspiegel" hat die Unions-Abgeordnete Ronja Kemmer in die Debatte über einen Antrag ihrer Fraktion über die KI-Verordnung begonnen.
Union: Regierung bringt sich in Verhandlungen auf europäischer Ebene zu wenig ein
Kemmer kritisierte, dass die Bundesregierung dies anscheinend nicht so sehe und sich zu wenig in die Verhandlungen auf europäischer Ebene einbringe: "Anscheinend messen Sie dieser wichtigen Schlüsseltechnologie keine so wirklich wichtige Bedeutung bei", sagte Kemmer in Richtung der Ampelfraktionen.
„Die Regierung misst dieser Technologie keine wichtige Bedeutung bei.“
Die Union fordert in ihrem Antrag, die Bundesregierung auf, den Bundestag "ab jetzt ausreichend und regelmäßig" zum Stand der Verhandlungen zur KI-Verordnung im Rat der EU zu informieren. Die Bundesregierung soll sich zudem dafür einsetzen, dass mit der KI-Verordnung ein innovationsoffenes Umfeld in Europa geschaffen werde, in dem eine schnelle Skalierung von KI-Entwicklungen möglich sei, schreiben die Abgeordneten in dem Antrag.
Auch die AfD-Fraktion hatte einen Antrag zum Thema eingebracht. Darin fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, sich bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die im Titel Drei als Hochrisikosysteme klassifizierten KI-Systeme "nicht allein als sinn- und zweckfreie Technologie betrachtet" würden.
AfD kritisiert einen defensiven Umgang mit dem Thema
"Die Bundesregierung muss unserer Meinung nach darauf hinwirken, dass neben den Risiken vor allem die Chancen von KI-Lösungen betont werden", sagte die AfD-Abgeordnete Joana Cotar in der Debatte. Eine defensive Regulierung von KI-Lösungen bringe nicht nur für Start-ups und kleinere und mittlere Unternehmen ein immenses Quantum an Bürokratie, sie führe auch dazu, dass Innovationen im Bereich KI sich in anderen Regionen der Welt vollzögen, so Cotar.
Nach Ende der Debatte wurden die beiden Anträge zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Digitales überwiesen.
Bereits zu Beginn der Woche war in einer öffentlichen Anhörung deutlich geworden, dass auch die Digitalexpertinnen und -experten zu unterschiedlichen Bewertungen der Verordnung kommen. Im Ausschuss für Digitales warnte beispielsweise Patrick Glauner von der Technischen Hochschule Deggendorf vor einer Überregulierung, die vor allem kleine und mittelständische Unternehmen träfe.
Joachim Bühler, Geschäftsführer beim TÜV-Verband, lobte hingegen den "risikobasierten Ansatz" der Verordnung. Reguliert werde lediglich der Hochrisikobereich, der einen Anteil von fünf bis 15 Prozent habe, sagte er.
Eine neue Ära hat begonnen
Aus Sicht von Jonas Andrulis, Gründer und Geschäftsführer des KI-Unternehmens Aleph Alpha, ändert sich KI gerade fundamental. Sei sie früher von einer Vielzahl individueller Algorithmen geprägt gewesen, werde es in Zukunft weniger Anwender geben, die generalisierte Intelligenz anbieten "und Dinge möglich machen, die eine neue Ära der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit definieren".
„Die KI-Verordnung ist ein wichtiger Schritt, um Rechtssicherheit zu schaffen und den KI-Einsatz zu regulieren.“
Michael Backes, Gründungsdirektor und Geschäftsführer des CISPA Helmholtz Center for Information Security, sagte, die KI-Verordnung könne ein wichtiger Schritt für Deutschland und Europa sein, um Rechtssicherheit zu schaffen und den KI-Einsatz zu regulieren. Allerdings sei der bisherige Entwurf "an manchen Stellen deutlich zu breit gefasst". Umfasst werde im Grunde jede Software.
Sachverständiger: Europäische Forscher dürfen nicht benachteiligt werden
Diejenigen, die von Grund auf die transparenten und fairen Systeme erarbeiten, dürften nicht behindert werden, verlangte er. Nur so sei sicherzustellen, dass europäische Forscher "nicht strukturell benachteiligt sind gegenüber China und den USA".
Der Sachverständige Jürgen Geuter (ART+COM) sieht den Entwurf stark auf Zukunftsnarrativen bezogen. "Wir versuchen jetzt Regelungen aufzuschreiben, für eine Fiktion, die in fünf bis zehn Jahren Realität sein soll", sagte er. Es bestehe die Frage, ob KI-Systeme tatsächlich reglementiert werden müssen. Zwar könnten diese tatsächlich diskriminieren, "wenn sie so eingesetzt werden". Das entstehe aber immer aus der Situation heraus, wenn KI-Systeme, oft als Teil größerer Infrastruktursysteme, implementiert würden.
Diskriminierung entsteht nicht nur durch technische Effekte
Angela Müller von der AW AlgorithmWatch gGmbH wies darauf hin, dass sich der Verordnungsentwurf auf Anbieter konzentriere. Diskriminierende Auswirkungen seien aber nicht einzig auf technische Effekte zurückzuführen. "KI-basierte Systeme sind sozio-technische Systeme, die in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext eingesetzt werden, der die Auswirkung des Systems unweigerlich beeinflusst", sagte sie. Daher müsse der Fokus auch darauf gelegt werden, auf welche Weise KI-Systeme eingesetzt werden.
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In einer Bremer Schule hat der Chatbot bereits Einzug in den Unterricht gehalten. Die Technologie dürfte Einfluss auf Prüfungen, Hausaufgaben und Co. nehmen.
Catelijne Muller von der Organisation ALLAI begrüßte die Verordnung, "auch wenn sie nicht perfekt ist". Ziel der Verordnung sei es, die Gesundheit, die Sicherheit und die Grundrechte vor negativen Einflüssen der KI zu schützen. Problematisch sei beispielsweise, wenn etwa in der Strafverfolgung durch KI schon die Übereinstimmung von Charaktereigenschaften mit anderen Verdächtigen ausreichend sein könne, um eine Strafverfolgung in Gang zu setzen.
Durch den Entwurf könne mehr Rechtssicherheit für Unternehmen geschaffen werden, "was deutlich dazu beiträgt, die Akzeptanz für die Nutzung von KI in der Breite der Deutschen Wirtschaft zu erhöhen", befand Oliver Suchy vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Dies sei angesichts der rudimentären Nutzung von KI in der Arbeitswelt dringend geboten.