Atomausstieg : Debatte um Ministeriumsvermerke dauert an
Die Bundesminister Habeck und Lemke müssen in einer Aktuellen Stunde im Bundestag erneut zum Ende der Atomenergie Stellung beziehen.
Auch in der vergangenen Sitzungswoche kamen die beiden Grünen Robert Habeck (Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz) und Steffi Lemke (Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz) nicht umhin, die Arbeit ihrer Ministerien rund um das endgültige Aus der drei letzten Atomkraftwerke vor gut einem Jahr vor dem Hohen Haus zu rechtfertigen.
Ein Bericht der Zeitschrift "Cicero" hatte vor einigen Wochen die Frage aufgeworfen, ob Meinungen von Fachleuten zum möglichen Weiterbetrieb der bis dahin am Netz verbliebenen drei Atomkraftwerke unter den Teppich gekehrt wurden und der Minister und die Ministerin von ihren Mitarbeitenden getäuscht worden sein könnten.
Die Unionsfraktion hatte das Thema mit einer Aktuellen Stunde am Mittwochnachmittag ins Plenum gebracht. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) erhob bei seiner Rede schwere Vorwürfe gegen die Ampelregierung und insbesondere die grünen Minister: "Sie haben unserem Land mit dieser Entscheidung, die Kernkraftwerke in der Krise abzuschalten, schweren Schaden zugefügt", so Spahn.
Ging als eines der letzten vom Netz: Das mittlerweile stillgelegte Kernkraftwerk Isar 1 (links).
Minister Habeck habe den Bürgerinnen und Bürgern eine ergebnisoffene Prüfung eines möglichen Weiterbetriebs versprochen, doch die habe es nicht gegeben, befand der Christdemokrat. Wenn es diese wirklich gegeben habe, fragte Spahn, "warum legen Sie dann nicht einfach alles offen, dann wird es doch offenkundig."
Verdacht der Täuschung weiter im Raum
Für Spahns Fraktionskollegen Steffen Bilger (CDU) steht auch nach der bereits erfolgten Herausgabe von Dokumenten, die die Entscheidungsfindung belegen sollen, der Verdacht im Raum, Öffentlichkeit und Parlament könnten getäuscht worden sein und dass bei der Entscheidung über den möglichen Weiterbetrieb der Kernkraft "inmitten einer nie dagewesenen Energiekrise" nicht die Fakten und Notwendigkeiten zählten, sondern dass Parteipolitik durchgesetzt werden sollte.
Von "grünen Kommunisten" in den Ministerien gar sprach der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse; dort sei "getrickst, gelogen und betrogen" worden. An Wirtschaftsminister Robert Habeck gewandt sagte er: "Machen Sie uns nicht glauben, dass Sie nichts wussten. Sie sollten zurücktreten."
Das Ende der Atomenergie in Deutschland
⛔️ Der Bundestag hatte den Ausstieg aus der Atomenergie am 30. Juni 2011 mit einer parteiübergreifenden Mehrheit beschlossen. Seitdem gingen in den vergangenen Jahren immer wieder Atomkraftwerke vom Netz.
☢️ Vor etwas mehr als einem Jahr, am 15. April 2023, wurden die letzten drei Atommeiler endgültig vom Netz genommen. Ihre Laufzeit war aufgrund der Energiekrise mit einer Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einmalig im Streckbetrieb verlängert worden.
Habeck hingegen zeichnete in seiner Rede nach, wie es zu den von der Unionsfraktion kritisierten geschwärzten Passagen in den herausgegebenen Dokumenten kam: "Die Schwärzungen folgen der Vorgabe des UIG (Umweltinformationsgesetz, Anm. d. Red.), wonach personenbezogene Daten, potenzielle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Daten, die nicht die UIG-Anfrage betreffen, geschwärzt werden." Man könnte die Schwärzungen in Absprache mit den jeweiligen Betroffenen "selbstverständlich" auch aufheben, so der Minister.
Habeck: "Energieversorgung gesichert"
Habeck sagte weiter, dass sich ein Jahr nach dem Atomausstieg die "Unkenrufe" und Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten; der Atomstrom sei nicht durch Kohle ersetzt worden, es habe keine Preissteigerung gegeben, die Energieversorgung sei "24/7" gesichert und eine der sichersten weltweit.
Seine Parteikollegin Lemke sagte später, dass es aus ihrer Sicht in der Debatte um die relativ einfache Frage gehe, die die Unionsfraktion immer wieder aufwerfe: "Wollen wir zurück zur Kernkraft?" In der Regierungszeit der Union seien elf der 17 AKW in Deutschland abgeschaltet worden. Die Union insinuiere den Wiedereinstieg in die Nutzung der Atomkraft, jedoch ohne zu sagen, wo die AKW gebaut werden sollen und wer dafür zahlen solle.
FDP fordert mehr Transparenz
Verteidigt wurden Habeck und Lemke vom Sozialdemokraten Helmut Kleebank, der Spahns Redebeitrag als "bloße Propaganda, die der Sache nicht gerecht wird" bezeichnete. Bei der Abstimmung zum Atomausstieg 2011 hätten diesem 513 von 600 Abgeordneten zugestimmt: "Das war richtig, das ist richtig und das bleibt richtig", so Kleebank. Alle für die Entscheidung zum Weiterbetrieb relevanten Informationen hätten den Politikern vorgelegen.
Die Liberale Judith Skudelny hingegen forderte ebenfalls die vollständige Aufklärung des Sachverhaltes. Es seien zwar nun die internen Mails veröffentlicht worden, aber es sei ein bisschen "Geschmäckle" geblieben. "Es macht einen schlechten Eindruck, dass die Unterlagen erst freigeklagt werden mussten", sagte die FDP-Abgeordnete. Der Ball liege jetzt in den beiden Ministerien, diese sollten nun völlige Transparenz herstellen, um die Vorwürfe aufzuklären.