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Foto: picture-alliance/empics/Andrew Matthews
Gas wird knapper und teurer. Die Regierung versucht sich zu wappnen.

Energiesicherheit : Der Staat kann eingreifen

Der Bundestag billigt der Regierung mehr Kompetenzen zu.

11.07.2022
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4 Min

Deutschland sucht nach Wegen aus der Gasfalle. Der Markt ist angespannt. Und es könnte noch schlimmer kommen. Die Regierung bemüht sich in diesem Krisensommer um Vorsorge für einen absehbar nicht minder krisenhaften Winter. "Wir sind in einer Phase, wo wir uns alle Optionen des Handelns erhalten müssen", sagte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Donnerstag im Bundestag.

Ein Blick auf die vergangenen Monate zeigt: In der politischen Praxis heißt das, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, verschafft sich der Staat immer mehr Eingriffsmöglichkeiten in den Energiemarkt. Jüngstes Beispiel: Das Energiesicherungsgesetz (EnSiG) aus dem Jahr 1975, das zum zentralen Instrument der Krisensteuerung durch die Bundesregierung geworden ist.

Staat kann als letztes Mittel Energieunternehmen enteigenen

Im Zuge einer ersten Novellierung im Mai 2022 wurde die Möglichkeit einer Treuhandverwaltung über Unternehmen der kritischen Infrastruktur und als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung geschaffen. Am vergangenen Donnerstag nun beschloss der Bundestag in einem weiteren Schritt, dem Bund darüber hinausgehende Kompetenzen zu geben, die von Einsparvorschriften beim Gasverbrauch über eine neue Umlage für Gaskunden bis hin zu einem Rettungsschirm für Energieunternehmen reichen.

Hintergrund ist die schwierige Lage des Uniper-Konzerns, der denn auch am Freitag staatliche Stabilisierungsmaßnahmen beantragte. Uniper ist der größte Gasimporteur Deutschlands. Das Problem, das den Konzern in Schieflage gebracht hat, ist unter anderem, dass Gazprom im Juni die Gaslieferungen drastisch reduziert hat.

Durch die Ostsee-Pipeline Nordstream 1 fließen nur noch 40 Prozent der vereinbarten Menge. Ab diesem Montag nun fließt für zehn Tage gar kein Gas mehr durch die Pipeline, weil sie routinemäßig gewartet wird. In Deutschland halten es nicht wenige für ausgemacht, dass der Kreml die Lieferungen gar nicht wieder aufnimmt. Für Uniper bedeutet das, um die eigenen Lieferverträge mit Kunden bedienen zu können, muss das Unternehmen Gas an der Börse zu krisenbedingt deutlich erhöhten Preisen einkaufen und macht täglich Millionenverluste. Die Angst ist groß, dass eine Insolvenz Unipers eine Kettenreaktion auslösen könnte


„Warum setzen Sie nicht stärker auf die klimaneutrale Option?“
Jens Spahn (CDU)

Das geänderte Energiesicherungsgesetz gibt dem Bund nun zwei neue Möglichkeiten helfend einzugreifen. Erstens: Der Bund soll in einem beschleunigten Verfahren bei dem angeschlagenen Konzern einsteigen können. Zudem wird die Finanzierung von Energieunternehmen, die, wie die frühere Gazprom Germania, unter Treuhandverwaltung des Bundes stehen, vereinfacht.

Zweitens: Neben der schon bestehenden Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen höhere Preise an die Kunden weitergeben zu können, soll künftig eine "saldierte Preisanpassung" möglich sein. Demnach sollen die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung auf alle Gasverbraucher verteilt werden können - ein Art solidarische Krisenabgabe

In der Debatte zu dem Vorhaben am vergangene Donnerstag stellte die SPD-Abgeordnete Nina Scheer klar: Am Anfang der Rettungskette stünden die Staatshilfen. Die Überlegung dahinter: Wenn der Staat einem Unternehmen wie Uniper Geld gibt, damit es die gestiegenen Beschaffungskosten überhaupt stemmen kann, ist auch den Abnehmern, etwa den Stadtwerken, geholfen. Es müsste keine Umlage erhoben werden und auch die Preisanpassungsklausel käme nicht zum Einsatz.

Union will Atom

Die geplanten Änderungen sind Teil eines größeres Gesetzesvorhabens, dessen vorrangiges Ziel es ist, Ersatzkraftwerke zu mobilisieren, um Erdgas-Strom durch Strom aus Kohle und Öl zu ersetzen, damit das knapper werdende Gas für den Winter eingespeichert werden kann. In der Debatte begrüßte Jens Spahn (CDU) diesen Schritt, fragte aber: "Warum setzen Sie nicht stärker auf die klimaneutrale Option?", womit er Biogas und Biomasse und vor allem die Kernkraft meinte. Einen entsprechenden Änderungsantrag der Unionsfraktion, der eine längere Laufzeit von Atomkraftwerken zum Ziel hatte, fand im Bundestag allerdings keine Mehrheit.

Die Grünen legen Wert darauf, dass bei Kohle-Importen als Gas-Ersatz genau hingeguckt wird: "Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards müssen vor Ort eingehalten werden", forderte Kathrin Henneberger.

Karsten Hilse (AfD) nannte das Gesetzesvorhaben "Blendwerk", das vertusche, dass die Schäden "durch böswilliges Handeln" selbst verursacht seien. Olaf in der Beek (FDP) hielt dem entgegen, es sei Russlands Präsident, der mit dem Angriff auf die Ukraine zum Handeln zwinge. Linkenpolitiker Ralph Lenkert forderte die Vergesellschaftung der Netze und Entschädigungen für Verbraucher.

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Den geänderten Entwurf der Ampelfraktionen nahm der Bundestag schließlich mit Stimmen der Koalition und Linken bei Enthaltung der Union und Ablehnung durch die AfD an. Am Freitag stimmte auch der Bundesrat zu.

Die im Rahmen einer Aktuellen Stunde vorgebrachte Forderung der AfD, die Gaskrise durch die Inbetriebnahme der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nordstream-2 zu verhindern, stieß bei den übrigen Fraktionen auf Ablehnung. Ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten wurde zudem an die Ausschüsse überwiesen.