Energiekrise : Schutzschirm für Uniper
Deutschlands größter Gashändler hat Unterstützung durch die Bundesregierung beantragt.
Uniper könnte nach der Commerzbank und der Lufthansa das nächste Unternehmen sein, bei dem der Bund einsteigt. Am vergangenen Freitag hat der Konzern offiziell Unterstützung bei der Bundesregierung beantragt. Die Bundesregierung will eine Pleite von Uniper verhindern. "Wir werden nicht zulassen, dass ein systemrelevantes Unternehmen in Insolvenz geht", erklärte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag. Die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck an Stabilisierungsmaßnahmen. Über konkrete Form der Unterstützung werde jetzt verhandelt und dann entschieden. Die Gefahr wachse von Tag zu Tag, dass der Großversorger Uniper in Kürze nicht mehr seine Kunden, die Stadtwerke und die Industrie beliefern könne, einem Dominoeffekt gleich könne die gesamte Lieferkette mit Gas für nachgelagerte Kunden zusammenbrechen. Wenn es dazu käme, wäre das ein "Super-Gau für die deutsche Industrie", urteilt "Die Zeit".
Dieses Mal trifft es mit Uniper ein Unternehmen, das für die Bereitstellung von Gütern der Daseinsvorsorge verantwortlich ist. Laut Definition umfassen staatliche Aufgaben zur Bereitstellung der für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter unter anderem die Gas- Wasser- und Elektrizitätsversorgung. "Uniper ist ein Symptom für die Defizite deutscher Energiepolitik", schreibt das "Handelsblatt". Und neben Uniper stehen mit der PCK-Raffinerie, dem Braunkohlekonzern Leag, Germania Gazprom und VNG weitere Unternehmen Schlange, um staatliche Hilfen zu beantragen.
Uniper wollte im Sommer große Mengen Gas kaufen
Uniper ist der größte Gasimporteur, Gashändler und Gaspeicherbetreiber dieses Landes und der größte deutsche Kunde des russischen Staatskonzerns Gazprom. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf kann 22 Millionen Haushalte versorgen, es entstand 2016 als Nachfolger von Eon und Ruhrgas, letztere hat 1970 den ersten Liefervertrag für Gas mit der Sowjetunion unterzeichnet. Uniper sollte das Geschäft mit fossilen Kraftwerken und dem Gas-Handel verantworten, während Eon mit den Erneuerbaren Energien weiterarbeitete. "Die Zeit" wunderte sich schon damals, dass Uniper mit seinen 11.500 Mitarbeitern als "Resterampe" und "Schmuddelkind" bezeichnet werde, wo Eon sämtliche Geschäftsbereiche untergebracht habe, die als "echt unsexy" gälten.
Uniper gehört inzwischen zu 78 Prozent dem finnischen Unternehmen Fortum, ein Konzern, in dem der finnische Staat mit 50,8 Prozent die Mehrheit hält. Dieser hatte erklärt, dass der Schlüssel für eine nachhaltige Lösung in Sachen Uniper in den Händen der deutschen Regierung liege. Das macht die Sache für Uniper besonders kompliziert - vor allem, nachdem Schweden und Finnland Anfang Juli ihren Beitritt zur Nato besiegelt haben. Fortum will seine Russland-Geschäfte komplett einstellen, was das Verhältnis zu Gazprom beeinflussen würde. Fortum hatte sich zudem am Bau von Nord Stream 2 beteiligt und schrieb im März ein Darlehen von fast einer Milliarde Euro an der Pipeline ab.
Energieriese ruft nach Staatshilfen
- Gründung: Uniper ist 2016 aus der Kraftwerkssparte und dem Handelsgeschäft des Energiekonzerns Eon hervorgegangen.
- Beschäftigte: Konzernsitz ist Düsseldorf, in mehr als 40 Ländern arbeiten 11.500 Mitarbeiter, davon 5.000 in Deutschland.
- Kennziffer: 2021 wurde ein Umsatz von 164 Milliarden Euro erzielt, der operative Gewinn betrug 1,2 Milliarden Euro.
- Gasgeschäft: Rund 400 Terawattstunden liefert Uniper normalerweise aus, genug um 22 Millionen Haushalte zu heizen.
Als problematisch erwies sich bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 die große Abhängigkeit Unipers von russischen Gaslieferungen - das Unternehmen soll die Hälfte seiner Gasmengen aus Russland beziehen. Schon im vergangenen Sommer braute sich auf dem europäischen Gasmarkt etwas zusammen. Der Winter 2020/2021 war ungewöhnlich kalt und lang, die Gasspeicher waren leer und sollten eigentlich im Eiltempo gefüllt werden. Doch Russland erhöhte seine Liefermengen nicht. Im Gegenteil. Der Marktführer verwies auf die Lieferverträge, in denen festgeschrieben war, dass im Jahr 2020 die Transitmengen 65 Milliarden Kubikmeter Erdgas betragen sollten, sie aber danach, 2021 bis 2024, auf jährlich 40 Milliarden Kubikmeter zurückgehen. Als Grund dafür gilt, dass Gazprom und seine europäischen Partner fest mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme der Gasröhre Nord Stream 2 rechneten, was jedoch durch den Einwand der USA verzögert wurde. Das Lieferverhalten Gazproms machte sich bei Uniper bereits im ersten Quartal 2022 bemerkbar: Die Düsseldorfer hatten einen Nettoverlust von rund drei Milliarden Euro eingefahren. Der Gashändler hatte weniger Gas aus seinen Speichern verkauft als im Winter üblich. Der Grund: Das Unternehmen hatte aufgrund der Lage im Sommer 2021 Einnahmen aus dem Gasgeschäft in die Zukunft verschoben und auf lukrativere Geschäfte spekuliert.
Uniper verdient viel Geld damit, dass das Unternehmen Gas im Sommer, wenn die Nachfrage geringer ist, einkauft, um es im Winter wieder teurer zu verkaufen. Um von den hohen künftigen Preisen profitieren zu können, wollte Uniper also größere Mengen Gas im zweiten und dritten Quartal verkaufen. Dafür hatte das Unternehmen sogar noch kurzfristig Gas zugekauft. Mit dieser Annahme hat sich Uniper offenbar verkalkuliert: Jetzt fehlt dem Konzern ein Großteil der erwarteten Liefermengen aus Russland, und der finanzielle Druck nimmt stark zu. Rechnungen haben ergeben, dass Uniper pro Tag 40 Millionen Euro verliert, der Konzern hat sich demnach durch teure Gaszukäufe komplett übernommen, weil Uniper seine Kunden zum vereinbarten niedrigen Preis beliefern muss. Die gestiegenen Preise konnten bislang nicht an die Kunden weitergegeben werden.
Rationierung von Gas
Gleichzeitig zu den hohen Einkaufspreisen ist Uniper dazu verpflichtet, für den Verkauf hohe Sicherheitsleistungen zu hinterlegen. Der Gashändler zahlt vor dem vereinbarten Liefertermin eine Art Kaution, die sicherstellen soll, dass Uniper auch liefert. Die Zahlung entspricht der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Preis und den aktuellen Spotmarktpreisen. Sind die Preise sehr hoch, wie derzeit, steigen auch die Sicherheitszahlungen. Die Zahlungen werden zwar zurückgezahlt, doch nicht sofort. So lange und um sie vorzuhalten, ist Uniper auf viel Liquidität angewiesen. Wettbewerb-Ökonom Jens Südekum, sagte im "Handelsblatt"-Podcast, er halte den Einstieg des Staates bei Uniper für alternativlos. "Wenn wir nicht wollen, dass der Gasmarkt zusammenbricht, muss Uniper schnell stabilisiert werden." Eine mögliche Rationierung von Gas für die Industrie gelte es abzuwenden, dadurch drohe eine tiefe Rezession. Die Gewerkschaften schließen sich dieser Forderung an und fordern mehr Tempo. "Eine echte Beteiligung des Bundes, also nicht nur Sicherheiten und Kredite, wäre ein klares Signal", sagt Christoph Schmitz, Verdi-Bundesvorstand. Es müsse schnell eine gute Lösung her, um den Fortbestand Unipers langfristig zu sichern.
Frankreich setzt noch stärker auf Atomkraft
Während in Deutschland noch darum gerungen wird, wie groß der Einfluss des Staates auf Energieunternehmen sein darf und wie die zukünftige Energiepolitik aussehen soll, lässt eine Entscheidung aus Frankreich aufhorchen. Die neue Regierung gab bekannt, dass der Stromkonzern EDF wieder komplett verstaatlicht werden soll. Damit werde der angestrebte Ausbau der Atomkraft sichergestellt. So solle die "Energiewende mithilfe der Atomkraft gelingen", hieß es in einer Erklärung. Um als erstes großes Land komplett auf fossile Energiequellen verzichten zu können, werde Frankreich erneuerbare Energie und die Atomkraft ausbauen, weitere neue Atomkraftwerke sollten gebaut werden.