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EU-Solarindustrie : Mehr Sonnenstrom aus Europa

Die europäische Solarindustrie ist auf Zulieferer aus Asien angewiesen. Für eine eigenständige Wertschöpfungskette fehlen noch die industriellen Kapazitäten.

27.08.2023
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4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Sebastian Willnow

Die deutsche Wacker-Chemie AG ist der größte europäische Hersteller von Polysilizium.

Das Jahr 2023 wird die Photovoltaik in Deutschland mit einem Rekord abschließen. Die Prognosen sehen einen Zubau von mehr als 10.000 Megawatt auf Dächern, Freiflächen oder auch an Fassaden. Das bisher beste Jahr zuvor war 2011 mit 7.900 neu installierten Megawatt.

Für den größten Teil der Solarmodule wird so genanntes Polysilizium benötigt. Das ist industriell verarbeitetes Silizium mit einem hohen Reinheitsgrad. Der Silizium-Einsatz in den Modulen sank in den letzten 20 Jahren nach Angaben des Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) kontinuierlich. Waren früher pro Watt Leistung 10 bis 20 Gramm Polysilizium nötig, sind es heute 2 bis 3 Gramm.

Photovoltaik ist ein Hightech-Produkt

In 10.000 Megawatt Photovoltaik stecken so rein rechnerisch 20.000 bis 30.000 Tonnen Polysilizium. Allein die deutsche Wacker-Chemie AG, der größte europäische Hersteller, stellt jährlich mehr als die doppelte Menge her. Das würde für den Inlandsbedarf reichen.

So einfach stellt sich die Rechnung selbstverständlich nicht. Auf den Märkten geht es weniger um die reinen Mengen, sondern vielmehr um Qualitäten, beste Preise und eingespielte Lieferketten. Photovoltaik ist ein Hightech-Produkt.

Gebraucht werden unter anderem die aus dem hochreinen Silizium hergestellten Wafer, dünne Scheiben ähnlich denen, auf denen Mikrochips hergestellt werden. Den Weltmarkt für Photovoltaik-Wafer dominiert China mit einem Produktionsanteil von 97 Prozent. Bei Rohsilizium hat das Land etwa 80 Prozent Marktanteil, gefolgt von Südkorea, den USA und Europa.


„Der EU fehlt es eindeutig an industriellen Kapazitäten und Investitionen für eine eigenständige Wertschöpfungskette.“
ETIP-Analyse

Die starke Abhängigkeit von Zulieferern aus Asien hat die europäische Solarindustrie inzwischen als Problem erkannt. Die Produktion von Polysilizium, von Ingots - das sind Siliziumbarren - sowie von Wafern ist ein entscheidendes Photovoltaik-Segment und ein Bereich, in dem die EU bei den Produktionskapazitäten im Rückstand ist, konstatiert eine kürzlich veröffentlichte Analyse der Europäischen Technologie- und Innovationsplattform für Photovoltaik (ETIP PV). Zwar seien in Europa mehrere Marktakteure, vor allem Wacker Chemie, tätig und lieferten wettbewerbsfähige Produkte, dennoch fehle es der EU "eindeutig", so die ETIP-Analyse, an industriellen Kapazitäten und Investitionen für eine eigenständige Wertschöpfungskette.

Nicht wenige Experten halten diese Beschreibung für untertrieben, sprechen davon, dass Europas Photovoltaik-Industrie bei der Waferherstellung "abgehängt" und der Rückstand nicht schnell aufzuholen sei. Die Frage ist aber: Wie unabhängig soll sich die europäische Solarbranche aufstellen? Autarkie kann auch kein Ideal sein. Bei der Antwort darauf orientieren sich ETIP-Experten an der "European Content Initiative".

EU-Kommission hat"Critical Raw Materials Act" vorgelegt

Die EU-Kommission hatte dazu im März dieses Jahres den "Critical Raw Materials Act" vorgelegt. Die Regelung zielt darauf ab, die eigene Produktion als kritisch eingestufter Rohstoffe zu erhöhen, um die Abhängigkeit von anderen Ländern, insbesondere China, zu verringern. Bis 2030 sollen danach 40 Prozent der in der EU verwendeten strategischen Materialien in Europa selbst verarbeitet und veredelt werden.

Das 40-Prozent-Ziel stellt für Ralf Preu, Leiter Photovoltaik bei Fraunhofer ISE, auch den Mindestfaktor dar für einen europäischen Material Content bei Polysilizium, Ingots und Wafern. Bei einem absehbaren Zubau von etwa 50.000 bis 60.000 Megawatt jährlich in Europa müssten demnach 20.000 bis 24.000 Megawatt aus EU-Produktion stammen, rechnet Preu vor. Eine Umsetzung wird dabei durch sich abzeichnende Verschiebungen auf dem Photovoltaik-Weltmarkt erleichtert.

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Insbesondere habe der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA ein großes Interesse am Ausbau der Photovoltaik-Produktion hervorgerufen, erklärt der Fraunhofer-Experte. Der IRA führe zu einer Wiederansiedlung von Teilen der Wertschöpfungskette. "Hierdurch werden zusätzliche Ressourcen in einem Land entstehen, dass uns hinsichtlich Politik und Werte nahesteht", sagt Preu. Das könne ein Grundstein sein, dass neben der heutigen China-dominierten Wertschöpfungskette eine weitere entsteht.

Senkung der Energiekosten ist entscheidend

Als entscheidend für die solare Zukunft der EU sehen die ETIP-Experten vor allem auch die Senkung der Energiekosten. Die Herstellung hochwertigen Polysiliziums und der daraus gewonnenen Kristalle gilt als sehr energieintensiver Prozess.

Auch wenn Unternehmen wie Wacker Chemie schon sehr energieeffiziente Herstellungstechnologien entwickelt haben, genüge das nicht, betont Preu, um mit chinesischen Herstellern kostenseitig konkurrieren zu können. Diese könnten Silizium mit Energiepreisen von zwei Eurocent pro Kilowattstunde erzeugen. Wacker müsse dafür ein Vielfaches zahlen. Preu, Mitautor der ETIP-Analyse: "Hier haben wir ein Problem, das politisch anzugehen ist."

Insbesondere habe der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA ein großes Interesse am Ausbau der Photovoltaik-Produktion hervorgerufen, erklärt der Fraunhofer-Experte. Der IRA führe zu einer Wiederansiedlung von Teilen der Wertschöpfungskette. "Hierdurch werden zusätzliche Ressourcen in einem Land entstehen, dass uns hinsichtlich Politik und Werte nahesteht", sagt Preu. Das könne ein Grundstein sein, dass neben der heutigen China-dominierten Wertschöpfungskette eine weitere entsteht.

Als entscheidend für die solare Zukunft der EU sehen die ETIP-Experten vor allem auch die Senkung der Energiekosten. Die Herstellung hochwertigen Polysiliziums und der daraus gewonnenen Kristalle gilt als sehr energieintensiver Prozess.

Hiesige Photovoltaik-Produzenten stellen ihre Produkte kohlenstoffärmer her

Auch wenn Unternehmen wie Wacker Chemie schon sehr energieeffiziente Herstellungstechnologien entwickelt haben, genüge das nicht, betont Preu, um mit chinesischen Herstellern kostenseitig konkurrieren zu können. Diese könnten Silizium mit Energiepreisen von zwei Eurocent pro Kilowattstunde erzeugen. Wacker müsse dafür ein Vielfaches zahlen. Preu, Mitautor der ETIP-Analyse: "Hier haben wir ein Problem, das politisch anzugehen ist."

Ein Ansatzpunkt dafür ist ein europäischer Standortvorteil. Denn hiesige Photovoltaik-Produzenten stellen ihre Produkte kohlenstoffärmer her als andere. Nach Preus' Eindruck legen sie großen Wert auf Nachhaltigkeit ihrer Produkte, auf ökologische und soziale Gesichtspunkte. Der Fraunhofer-Experte plädiert letztlich dafür, die Kostennachteile der europäischen Photovoltaik-Industrie zu verringern sowie zugleich die europäische Material-Content-Initiative gezielt umzusetzen. Preu: "Beides miteinander zu kombinieren, wäre die beste Lösung." 

Der Autor ist Redakteur beim Online-Magazin "klimareporter".