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Technologie : In Konkurrenz mit den USA und Asien

Damit die Europäische Union bis 2050 klimaneutral wird, setzen die Mitgliedstaaten unter anderem auf Batterien und Wasserstoff.

24.05.2024
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4 Min

Die EU soll technologisch unabhängiger werden. Das fordern in trauter Einigkeit der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell genauso wie die EU-Kommissarin für Wettbewerb Margrethe Vestager. Und beide verweisen dabei gern auch auf die notwendigen Technologien für die Energiewende.

Vor allem beim grünen Wasserstoff stehen viele Projekte und Vorhaben derzeit noch ganz am Anfang. Laut EU-Kommission hat Wasserstoff im Jahr 2022 gerade mal zwei Prozent zum Energieverbrauch in Europa beigetragen. Und das war auch noch fast ausschließlich sogenannter grauer Wasserstoff, der mit Erdgas hergestellt wird und bei dessen Produktion wiederum große Mengen CO2 entstehen. Die EU ist noch weit entfernt von ihrem Ziel, bis 2030 bis zu zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff zu produzieren.

Bis 2030: 150 Gigawatt Elektrolysekapazitäten

"Unternehmen in der EU planen aktuell Elektrolyse-Projekte mit einer Leistung von 150 Gigawatt Elektrolysekapazitäten bis 2030", berichtet Uwe Remme, Leiter des Teams für Wasserstoff und alternative Kraftstoffe bei der Internationalen Energie Agentur (IEA). "Allerdings sind bisher nur drei Gigawatt davon finanziert, im Bau oder bereits in Betrieb." Viele Projekte dagegen befinden sich erst in einem frühen Entwicklungsstadium.

Foto: picture alliance/EIBNER/Florian Schust

Seit Jahrzehnten gilt Wasserstoff für die Autoindustrie als interessanter Energieträger. Das mit Wasserstoff betriebene Hypercar bei der FIA World Endurance Championship auf Demofahrt.

Um den Ausbau zu beschleunigen, hat die EU-Kommission im Februar 2024 für 33 Wasserstoff-Projekte finanzielle Fördermittel genehmigt, die als "Important Project of Common European Interest" gelten - als Projekte, die das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken sollen. Mehr als zwei Drittel dieser Vorhaben kommen aus Deutschland. Bund und Länder sollen sich hier zudem mit 4,6 Milliarden Euro beteiligen. Zusätzlich hat auch noch die Europäische Wasserstoffbank ihre Arbeit aufgenommen, ein neues Instrument, das ebenfalls Wasserstoffprojekte finanzieren soll.

Mehr Kooperation nötig

Damit die EU ihr Potenzial in der grünen Wasserstoffproduktion ausschöpfen kann, müssen die Mitgliedstaaten indes deutlich mehr kooperieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI und der Deutschen Energie-Agentur. Den Studienautoren zufolge wären die europäischen Staaten grundsätzlich in der Lage, sich zu wettbewerbsfähigen Preisen selbst mit Wasserstoff zu versorgen. Insbesondere Norwegen, Spanien und Frankreich hätten die Kapazitäten, mehr Wasserstoff zu produzieren als sie für ihren eigenen Bedarf bräuchten.


„Die Energiewende ist auch von Technologie abhängig.“
Uwe Remme, IEA-Experte

Doch die Bürokratie bremst aus: "Staaten brauchen häufig lange, um Maßnahmen und Instrumente zur Unterstützung der sauberen Wasserstoffproduktion und dessen Nutzung in die Wege zu leiten. Das verzögert wiederum Investitionsentscheidungen auf Seiten der Industrie", sagt IEA-Experte Uwe Remme. Er geht daher davon aus, dass sich die EU künftig nicht autark, sondern mit einer Mischung aus Importen und eigens hergestelltem Wasserstoff versorgen wird.

Ausbau europäischer Fertigungskapazitäten

Dabei geht es nicht nur um Versorgungssicherheit. "Die Energiewende ist auch von Technologie abhängig", sagt Remme. Eine Studie der IEA zeigt, dass derzeit das 60 Prozent der globalen Fertigungskapazitäten für Elektrolyseure - das sind Anlagen zur Wasserstoffproduktion - in China entstehen, gefolgt von Europa, wo immerhin noch 20 Prozent der Elektrolyseure gebaut werden. "Da sich der Markt noch in einer relativ frühen Phase befindet, kann das für Europa eine Gelegenheit sein, die eigenen Fertigungskapazitäten auszubauen", sagt der Energieexperte.

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Geht es nach dem Willen der EU-Politik, sollen künftig auch die in der EU verbauten Batterien größtenteils aus europäischer Produktion kommen. Nach Prognosen der Umwelt- und Verkehrsorganisation "Transport & Environment", dem größten Umweltdachverband Europas, sollen die sogenannten Gigafactories im Jahr 2030 in Europa eine Produktionskapazität für Batteriezellen von 730 Gigawattstunden (GWh) haben. Das würde für die Ausstattung von rund 12,7 Millionen E-Autos reichen. Allein Produktionsstätten in Deutschland wie jene von Tesla in Grünheide und von Northvolt in Dithmarschen könnten bis zum Jahr 2030 mit einem Anteil von 430 GWh dazu beitragen, schätzt das Fraunhofer-ISI-Institut.

Geringere Fördermittel

Ob das gelingt, hängt auch von den künftigen Rahmenbedingungen für die Batterietechnologie ab. Zurzeit sind die Energiekosten in Europa hoch und Fördermittel rückläufig. In Deutschland sperrte zudem die Regierung nach dem Schuldenbremsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Klima- und Transformationsfonds. Auch das bremst die Batterieforschung aus, für die nun rund 110 Millionen Euro weniger zur Verfügung steht. "Wir müssen aufpassen, dass das, was wir in Europa in den vergangenen zehn bis 15 Jahren aufgebaut haben, nicht in wenigen Jahren wieder zusammenbricht", warnt Axel Thielmann, Leiter des Competence Centers Neue Technologien am Fraunhofer-Institut ISI.

Denn der Konkurrenzkampf auf dem Batteriemarkt wird härter. Asiatische Staaten wie China, Japan und Südkorea verfügen über einen hohen Erfahrungsschatz beim Thema Batterien, sind wettbewerbsfähig und entwickeln schnell neue Technologien. In den USA sorgt wiederum der milliardenschwere Inflation Reduction Act dafür, dass Unternehmen aus dem Sektor hohe Zuschüsse, Steuergutschriften und Darlehen erhalten.


„Wir brauchen in Europa eine stärkere Arbeitsteilung.“
Axel Thielmann, Competence Center Neue Technologien

Thielmann sieht im Batteriefach ähnlich wie beim Thema Wasserstoff noch Luft nach oben, wenn es um die Kooperation in der EU geht. "Wir brauchen in Europa eine stärkere Arbeitsteilung", sagt er. Und macht einen konkreten Vorschlag: "Manche Staaten könnten sich stärker auf die Rohstoffproduktion konzentrieren, andere kümmern sich um das Recycling. Je nachdem, wer die besseren Zugänge hat zu Ressourcen, erneuerbarer Energie, Fachkräften und Absatzmärkten." Thielmann ist sich sicher: Gemeinsam könnten die europäischen Staaten gegen die Konkurrenz aus aller Welt bestehen. Ob sie es auch können, ist eine Sache des Willens.

Die Autorin ist Volontärin bei der Redaktion wortwert.