Emissionshandel : CO2-Zertifikate als "Herzstück" europäischer Klimapolitik
Der Handel mit Emissionsrechten soll Unternehmen bewegen, mehr in den Klimaschutz zu investieren und die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien forcieren.
Farb- und geruchlos ist es, das Kohlendioxid (CO2). Vor allem Pflanzen können mit dem Treibhausgas so recht etwas anfangen. Geht es ums Klima, ist oft von einem Handel mit CO2 die Rede. Genau genommen stimmt das nicht: An den Börsenplätzen werden die Milliarden Tonnen des Treibhausgases nicht selbst gehandelt, sondern es sind Emissionsrechte. Im europäischen Emissionshandel (Emissions Trading System - ETS) erlaubt ein Zertifikat seinem Besitzer, eine Tonne CO2 abzugeben.
Das EU-ETS Nummer Eins startete 2005. In dem Jahr trat das Kyoto-Protokoll in Kraft; in dem globalen Klimaschutzabkommen sagte die EU für ihre damals 15 Mitgliedstaaten zu, ihre CO2-Emissionen bis 2012 um acht Prozent gegenüber 1990 zu senken. Deutschland als emissionsstarkes Land hatte eine Minderung von 21 Prozent zu erbringen.
Obergrenze wird abgesenkt
Dass die EU auf den Börsenhandel kam, um Emissionen zu senken, wird mit dem Wirken von Marktkräften begründet. Muss ein Unternehmen für seinen CO2-Ausstoß Emissionsrechte erwerben, wird es sich überlegen: Ist es preiswerter, Zertifikate zu kaufen oder Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen? Um klimapolitisch gewünschte Entscheidungen zu erzielen, wurde die Zahl der Zertifikate mit einem "Cap" begrenzt; die Obergrenze wird nach und nach abgesenkt. Das verteuert den Erwerb der Emissionsrechte und sorgt dafür, dass sich immer mehr Unternehmen dafür entscheiden, ihren CO2-Ausstoß zu senken. Klimaschutz passiert quasi automatisch.
Im Hintergrund spielen dabei sogenannte Vermeidungskosten eine Rolle: So kostete es laut einer Studie von McKinsey 2020 in Deutschland um die 32 Euro, um mit der Veränderung des Energiemixes in Richtung Erneuerbare eine Tonne CO2 einzusparen.
Grüner Wasserstoff in der Stahlindustrie: Zwischen 65 Euro und 330 Euro je Tonne CO2
Setzt die Stahlindustrie grünen Wasserstoff ein, um sich zu dekarbonisieren, wird das nach Verbändeangaben 65 bis 330 Euro je Tonne CO2 kosten. Im Verkehr liegen die Vermeidungskosten für eine Tonne CO2 laut einer Übersicht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages oft jenseits der 300 Euro, beispielsweise wenn von der Verbrennertechnik auf reinen Batteriebetrieb mit Ökostrom gewechselt wird.
Fakten zur Europäischen Klimapolitik
💚 Bis zum Jahr 2050 will die EU zum treibhausgasneutralen Kontinent werden. Bereits bis zum Jahr 2023 sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent reduziert werden.
♻️ Um diesen Zielen nachzukommen, hat die EU Ende 2019 den Green Deal verabschiedet, eine Wachstumsstrategie, mit der europäische Wirtschaft moderner, ressourcenschonender und wettbewerbsfähiger gemacht werden soll. Sämtliche Politikfelder wie Energie, Industrie, Landwirtschaft und Mobilität sollen auf die Klimaschutzziele ausgerichtet werden.
Die Entwicklung der CO2-Preise im Handel und die unterschiedlichen Vermeidungskosten sorgen schließlich dafür, dass diejenigen Unternehmen zuerst handeln, die ihre CO2-Emissionen vergleichsweise kostengünstig senken können. Mit wenig Aufwand kann so ein großer Klimaeffekt erzielt werden. Sind die preiswerten Möglichkeiten ausgereizt, kommen teurere CO2-Minderungen an die Reihe.
Preise steigen mit der Zeit
Der ETS gilt als das "Herzstück" europäischer Klimapolitik. Bislang erfasst der Emissionshandel aber nur die Energiewirtschaft sowie die energieintensive Industrie und damit nur knapp 40 Prozent der CO2-Emissionen der EU. Beide Branchen erhielten gerade in den ersten Jahren kostenlose Emissionsrechte großzügig zugeteilt. Anfangs konnten die Länder ihre "Caps" auch selbst festlegen. In der Folge gab es lange Zeit ein Überangebot von Emissionsrechten. Erst 2019 erreichte der Zertifikatspreis die 20-Euro-Grenze. Weil danach Vergünstigungen wegfielen, ging es mit dem CO2-Preis schnell nach oben: 2022 kostete ein Zertifikat schon um die 80 Euro. Der Umstieg auf erneuerbare Energien begann sich wirtschaftlich zu rechnen.
Angesichts seines Erfolgs ist der Emissionshandel ein entscheidender Teil des "Fit-for-55-Pakets". Mit dem will Europa seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Wichtigste Neuerung ist: Es wird ein Emissionshandel für Gebäude, Straßenverkehr und kleine Industrieanlagen (EU-ETS 2) geschaffen. Weil die Emissionsminderung in diesen Bereichen höhere Vermeidungskosten mit sich bringt, wird der Zertifikatepreis im EU-ETS 2 höher sein als bisher.
Hilfe für benachteiligte Haushalte
Während beim ETS 1 die Einnahmen aus dem Zertifikateverkauf in den jeweiligen Staatshaushalt flossen, soll beim ETS 2 ein Viertel der Einnahmen in einen Sozialfonds gehen. Aus diesem können die Länder insbesondere benachteiligte Haushalte unterstützen. Von 2026 bis 2032 sollen diese Finanzhilfen einen Umfang von bis zu 65 Milliarden Euro erreichen.
Der Emissionshandel ist aber kein Allheilmittel fürs Klima. So wurde eine der wirksamsten Klimamaßnahmen in Deutschland - der Kohleausstieg - per Gesetz beschlossen. Über einen Börsenpreis sind die Stilllegung ganzer Kraftwerksgenerationen, die Folgen für zehntausende Beschäftigte sowie der Strukturwandel in den Kohleregionen nicht zu managen.