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Klaus Ernst im Interview : "Die Energiewende darf nicht auf Kosten der Menschen gehen"

Linken-Politiker Klaus Ernst mahnt mehr Tempo und eine faire Kostenverteilung bei der Energiewende an. Er wirbt zudem für eine stabile Partnerschaft mit Russland.

15.11.2021
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5 Min

Herr Ernst, angesichts wachsender Gaspreise wird befürchtet, dass Wohnungen diesen Winter kalt bleiben. Wäre das anders, wenn Deutschland beim Ausbau erneuerbarer Energie weiter wäre?

Klaus Ernst: Dass die Große Koalition nicht mehr Tempo gemacht hat, war ein Fehler, weil der Ausbau der Erneuerbaren nicht so weit vorangekommen ist, wie es notwendig wäre. Aber das wäre in der aktuellen Debatte um die hohen Energiepreise keine Lösung gewesen, weil die erneuerbaren Energien derzeit noch nicht für das Heizen genutzt werden. Der übergroße Teil der deutschen Haushalte heizt noch mit Gas oder Heizöl. Wir müssen genau analysieren, woher die hohen Energiepreise kommen.

Foto: Katja Julia Fischer

Klaus Ernst (Die Linke) sieht erheblichen Nachholbedarf bei der Energiewende.

Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl dürfte der CO2-Preis weiter steigen. Das verteuert Energie weiter, wie könnte ein Ausgleich gelingen?

Klaus Ernst: Die Energiewende darf nicht auf Kosten der Menschen gehen, die jetzt schon nicht oder kaum in der Lage sind, ihr Leben ordentlich zu organisieren und zu finanzieren. Wenn die Energiepreise jetzt zusätzlich dazu führen, dass man seine Wohnung nicht mehr heizen kann oder das Auto stehen lassen muss, dann fühlen sich die Leute nicht mitgenommen und sperren sich gegen die Energiewende. Alleine über den CO2-Preis geht es nicht, deshalb muss man einen Ausgleich schaffen, der die Einkommen der Menschen stabil hält. Und da ist mir jedes Mittel recht.

Fänden Sie es gut, wenn man, wie in Frankreich, die Energiepreise für eine bestimmte Zeit deckelt?

Klaus Ernst: Prinzipiell halte ich es für richtig, dass man über eine Deckelung der Preise nachdenkt, gerade für jene Bevölkerungsgruppen mit geringem Einkommen. Aber ich bin für alle weiteren Vorschläge offen, wenn am Ende eine Lösung steht, die den Menschen hilft. Bei den hohen Energiepreisen brauchen wir jetzt eine schnelle, eine kurzfristige Lösung.

Wie können staatliche Investitionen in den Klimaschutz ohne Steuererhöhungen gelingen? Was halten Sie von der Einrichtung eines Klimafonds?

Klaus Ernst: Ich bin der Meinung, dass die Transformation ohne zusätzliche Steuern nicht funktionieren wird. Wenn es ohne steuerliche Mehrbelastung gehen soll, muss man sagen, wo gespart werden soll. Ich habe die Befürchtung, dass das dann im sozialen Bereich sein wird, deshalb ist das Durchsetzen der FDP, was man aus den Koalitionsgesprächen weiß, ein Angriff auf den Sozialstaat! Alleine die Stahlindustrie benötigt für die Energiewende bis 2030 zehn Milliarden Euro. Wenn da nicht genug Geld kommt, wird eine Umstellung auf CO2-freien Stahl nicht gelingen. Ich unterstützte deshalb die Forderung der IG Metall, die einen staatlichen Fonds fordert.


„Alleine die Stahlindustrie benötigt für die Energiewende bis 2030 zehn Milliarden Euro.“
Klaus Ernst, Abgeordneter (Die Linke)

Nicht wenige hoffen, dass Deutschland mit der Energiewende von russischen Erdgaslieferungen loskommt. Halten Sie das für ratsam?

Klaus Ernst: Ich wehre mich gegen die Behauptung, dass die Russen uns mit Gaspreisen erpressen! Auch die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass die aktuellen Energiepreise mit russischen Gaslieferungen nichts zu tun haben. Nach gängiger Meinung hat die Sowjetunion und später Russland ihre Partner in Deutschland zu keiner Zeit mit Gaslieferungen erpresst, das gilt es einmal festzuhalten. Die Energiepartnerschaft mit Russland ist im beiderseitigem Interesse: Russland benötigt das Geld aus dem Verkauf von Rohstoff, und wir benötigen Gas, um zu heizen und um zu produzieren. Deutschland könnte sein Gas auch von anderswo her beziehen, allerdings wäre das LNG-Gas viel teurer und durch das Fracking auch deutlich umweltschädlicher. Wir werden für eine absehbare Zeit von 20 bis 30 Jahren noch Erdgas als Übergangstechnologie brauchen. Zudem könnte Russland später auch unser Wasserstoffpartner werden.

Mehrere Bundesregierungen haben sich für das Pipelineprojekt Nord Stream 2 eingesetzt. Wird es in Betrieb gehen?

Klaus Ernst: Ich bin optimistisch und gehe davon aus, dass Nord Stream 2 in Betrieb genommen wird. Es ist ein politischer Irrsinn, diese Leitung nicht zu nutzen! Die politische Seite, die das verhindern will, müsste erklären, warum sie den Gaskunden in Europa zumuten will, teureres Fracking-Gas zu kaufen. Ohne ausreichend Gas ist das Industrieland Deutschland derzeit und in der nahen Zukunft schwer arbeitsfähig.

Die sich abzeichnende Ampel-Regierung will, dass zwei Prozent der Fläche Deutschlands für die Windkraft genutzt werden. In welchen Gebieten sollen diese Anlagen stehen?

Klaus Ernst: Ganz klar, wir brauchen den Ausbau erneuerbarer Energien, aber wir müssen uns auch ehrlich machen und weiter Energie importieren. Solardächer kann man relativ problemlos montieren, aber Windräder sind für weite Teile der Bevölkerung - höflich formuliert - nicht immer sehr erfreulich! Das ist eine Tatsache, und wenn man trotzdem weiter den Ausbau von Windrädern betreiben will, muss man die Menschen überzeugen und beteiligen, und das geht am ehesten über finanzielle Mittel. Da muss man über den Strompreis reden, aber auch über Prämien. Allerdings muss auch jedem klar sein, dass der gesamte Energiebedarf dieses Landes nicht alleine über Windräder und über Solaranlagen gedeckt werden kann. Zumal der Strombedarf auch noch ansteigen wird, wenn man, wie geplant, die Elektromobilität massiv ausbaut.

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Wasserstoff gilt vielen als Hoffnung für eine klimafreundliche Energieversorgung. Doch die Produktion steckt in den Startlöchern. Stimmen die Rahmenbedingungen?

Klaus Ernst: Der Wasserstoff ist der Schlüssel für eine CO2-freie Energieversorgung, global gesehen wissen wir, dass die Sonneneinstrahlung ausreicht, um den Energiebedarf der gesamten Welt zigfach zu decken. Es muss nur gelingen, dass man die Sonnenstrahlen in Energie umwandelt und sie auch speichern kann. An dieser Stelle muss die Technik massiv vorangetrieben und die Forschung intensiviert werden. Auch in den Ländern, aus denen wir zukünftig Wasserstoff beziehen wollen, in denen die Sonneneinstrahlung besonders intensiv ist, müsste die aktuellste Technik Anwendung finden. Auch hier gilt: Wir werden in Zukunft Energie aus südlichen Regionen importieren, um unsere Waren dorthin exportieren zu können. Ohne dieses Modell, könnten wir unseren Lebensstandard und Wohlstand nicht aufrechterhalten.

Es gibt Stimmen, die meinen, mit Ökostrom alleine sei die Energiewende nicht zu schaffen. Könnte Kernenergie eine Übergangslösung sein?

Klaus Ernst: Nein! Auf keinen Fall! Die Atomenergie ist eine extrem gefährliche Energie und die Technik ist sehr schlecht beherrschbar. Das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, als Stichworte seien nur Harrisburg/USA 1979, Tschernobyl/UdSSR 1986 oder Fukushima/Japan 2011 genannt. Auch der Abbau und die Stilllegung der Anlagen verursachen irrsinnige Kosten. Dann ist die Frage der Endlagerung nicht geklärt, das können wir nachfolgenden Generationen nicht antun, das verbietet sich! Auch der Import von Atomstrom ist abzulehnen.

Aber unsere Nachbarn Frankreich und Großbritannien, sehen das anders.

Klaus Ernst: Ja, und ich bedauere das zutiefst! Wir sollten mit allen unseren Nachbarn, egal ob EU-Staaten oder nicht in Gesprächen bleiben und darauf hinweisen, was passiert, wenn dort ein Atomkraftwerk havariert. Auf einem engbesiedelten Gebiet wie Europa hätten solche Unfälle eine katastrophale Auswirkung, nicht nur für uns, sondern auch für alle Generationen, die uns nachfolgen.

Klaus Ernst (Die Linke) ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. In der vergangenen Wahlperiode war er Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Energie.