Gastkommentare : Pro und Contra: Strom- und Gaspreise deckeln?
Sollte der Staat die Strom- und Gaspreise deckeln? Ein Pro- und Contra von Stephan Hebel und Hannes Koch.
Pro
Was gerecht ist
Mitte August verkündete Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Bundesregierung habe die "gerechtest mögliche Form" gefunden, um die steigenden Gaskosten unter den Verbrauchern zu verteilen. Er meinte die Umlage, die die Versorgung für alle Gas nutzenden Haushalte und Unternehmen noch teurer machen soll. Die Formulierung von der "gerechtest möglichen Form" hat indes ihre Tücken. Nicht möglichst viel Gerechtigkeit meinte Habeck,. sondern so viel Gerechtigkeit, wie unter den "politischen Rahmenbedingungen" der Ampelkoalition eben möglich sei. Er hätte auch sagen können: Was gerecht ist, bestimmt in dieser Regierung die FDP. Und deren Gerechtigkeitsbegriff besagt, dass alle gleich stark belastet werden: die Armen, die das viel härter trifft, genauso wie die Reichen, die durchaus eine höhere Last verkraften könnten.
Dem gegenüber steht eine Definition von Gerechtigkeit, der eigentlich auch Habecks Grüne anhängen: Wer mehr hat, trägt zu den Kosten auch mehr bei. In Sachen Gas (und Strom) liegt der richtige Weg dafür auf der Hand: Der Preis wird gedeckelt, 75 oder 80 Prozent der Grundversorgung werden subventioniert, der Rest ist teuer. Das regt zum Sparen an und trifft diejenigen, die mehr verbrauchen, am meisten.
Die Subventionen müssten beim Gas aus Steuergeld bezahlt werden. Davon sei aber nicht genug vorhanden, argumentiert die FDP. Das stimmt - wenn man sich wie die FDP weigert, von Spitzenverdienern und Hochvermögenden mehr Solidarität - sprich: höhere Steuern - zu verlangen. Es sollte nicht dabei bleiben, dass so die "gerechtest möglichen" Lösungen aussehen im ampelregierten Deutschland.
Contra
Kontrolle behalten
Die Idee klingt eingängig und wirksam. Die Bundesregierung soll den Gaspreis für den Grundverbrauch deckeln. Privathaushalte, möglicherweise auch Firmen, würden so vor den stark steigenden Energiekosten geschützt. Das fordern etwa die Union, Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der Städte- und Gemeindebund und einige Sozialverbände. Spanien, Portugal und Großbritannien haben ähnliche Preislimits eingeführt, andere EU-Länder sind auf dem Weg dorthin. Die Bundesregierung aber zögert, die FDP ist dagegen. Dafür gibt es gute Gründe.
Würde der Gaspreis für eine bestimmte Menge pro Haushalt beispielsweise auf dem Niveau von Ende 2021 fixiert, müsste der Staat den Gasversorgern die Differenz zum höheren Weltmarktpreis erstatten. Sonst gingen die Lieferanten pleite. Der Weltmarktpreis allerdings schwankt stark, kann weiterhin deutlich steigen und liegt außerhalb der Kontrolle der Bundesregierung. Diese handelte sich damit ein unkalkulierbares Risiko für den Bundeshaushalt in der Größenordnung von Dutzenden Milliarden Euro jährlich ein.
Andere Instrumente zur Entlastung der Bürger und Unternehmen sind besser - etwa die Strompreisbremse, auf die sich die Ampelkoalition verständigt hat. Dabei würde nicht der Preis gedeckelt und teuer subventioniert. Stattdessen will die Regierung die Extragewinne der Energieversorger abschöpfen und an die Verbraucher zurückverteilen. Wirkungsvoll und kalkulierbar sind auch Zuschüsse für Firmen und Privathaushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen. Diese würden zwar ebenfalls teuer, doch der Staat behielte die Kontrolle und lieferte sich nicht den Märkten aus.