Bürgerrat Ernährung : Finanzierung des kostenlosen Schulmittagessens offen
In einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Ernährung ringen Fachleuten um die Umsetzung der Empfehlung der Bürgerinnen und Bürger.
Die Finanzierung der Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung im Wandel ist ungeklärt. Aus dem Gremium kommt nun der Vorschlag, bei der Umsetzung des wichtigsten Vorhabens, dem bundesweit kostenfreien Mittagessen in Kitas und Schulen, künftige Kindergelderhöhungen zu verwenden. Bei einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montag stieß die Idee von Joseph Heiß, der im Bürgerrat in der Arbeitsgruppe zum Thema Schulessen teilgenommen hatte, bei den Experten jedoch auf ein geteiltes Echo.
Konsens bei Wissenschaftlern
Während von Seiten der Expertin und des Experten von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und der Ludwig-Maximilians-Universität München die Dringlichkeit eines kostenlosen Mittagessens in Kitas und Schulen Konsens war, sprach sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und der Lebensmittelverband Deutschland dagegen aus. Der Vertreter des DStGB rechnet vor, dass ein solches Vorhaben rund 14 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde, und dabei seien investive Kosten wie der Umbau der Küchen, die Einstellung von Personal und Umbauten in Bildungseinrichtungen noch nicht eingerechnet. Die Bundesländer müssten über die Gesetzgebung die Kommunen verpflichten, das kostenlose Mittagessen in Kitas und in Schulen bereitzustellen. Wie vom Bürgerrat vorgeschlagen, könnte der Bund sich an den Kosten beteiligen. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, sei Sache der Verhandlungen.
Die Expertin der Verbraucherzentrale Thüringen verwies hingegen auf die Erfahrungen in ihrem Bundesland. Dort habe das Schulessen seit 2020 zu einer qualitativ höheren Verpflegung der Kinder geführt. Jedoch seien die Kosten in den vergangenen zwei Jahren um 25 Prozent gestiegen, deshalb sei eine Mitfinanzierung durch das Land notwendig. Der Thinktank Agora Agrar plädierte für ein komplett kostenfreies Schulmittagessen und verwies auf die hohen Folgekosten, die durch falsche Ernährungsmuster im Kinder- und Jugendalter entstünden.
Essen als soziale Instanz
Auch der Wissenschaftler der Technischen Universität München unterstrich die Notwendigkeit für eine gesunde und ausgewogenen Ernährung bei Heranwachsenden. Das sei auch eine Frage der Ernährungsgerechtigkeit. Vor allem in Haushalten mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau komme es öfter als im Durchschnitt zu Übergewicht und mangelnder Bewegung. Diese Defizite könnten durch ein gemeinsames, kostenloses Schulessen ausgeglichen werden.
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