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Interview mit Dominika Langenmayr : "Das konterkariert den Kampf der EZB"

Finanzwissenschaftlerin Dominika Langenmayr kritisiert Abschreibungsmöglichkeiten im Wachstumschancengesetz. Das unterlaufe den Kampf der EZB gegen die Inflation.

14.10.2023
True 2024-11-07T10:09:12.3600Z
3 Min

Frau Professorin Langenmayr, wie bewerten Sie das Wachstumschancengesetz?

Dominika Langenmayr: Eine große Steuerreform ist politisch derzeit nicht umsetzbar. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht auch nicht ganz klar, welche Folgen eine umfangreiche schuldenfinanzierte Senkung der Unternehmenssteuern angesichts der immer noch grassierenden Inflation hätte. Deshalb ist es sinnvoll, den Fokus auf gezielte Maßnahmen zu legen, etwa die Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen zu verbessern. Das funktioniert ohne allzu große Einnahmeausfälle. Kritischer sind die verbesserten Abschreibungen auf Wohnimmobilien zu sehen.

Inwiefern?

Dominika Langenmayr: Die höheren Abschreibungen machen es attraktiver, jetzt zu bauen. Die Baubranche ist aber der entscheidende Kanal, über den die Europäische Zentralbank (EZB) mittels höherer Zinsen die Inflation senken kann. Die steuerliche Förderung von Wohngebäuden konterkariert also den Kampf der EZB für stabile Preise.

Foto: KU Eichstätt
Dominika Langenmayr
Dominika Langenmayr ist seit 2016 Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Foto: KU Eichstätt

Aber die Wohnungsnot kann die Politik nicht kalt lassen.

Dominika Langenmayr: Es ist zweifelhaft, ob bessere Abschreibungsmöglichkeiten dazu führen, dass die Wohnungen entstehen, die gebraucht werden. Wenn man Wohnungsnot bekämpfen will, ist es zielgerichteter, den sozialen Wohnungsbau in den Städten zu fördern. Das ist für den Staatssäckel auch billiger. Und natürlich gilt auch hier: weniger Bürokratie!

Macht die globale Mindeststeuer die Welt gerechter?

Dominika Langenmayr: Grundsätzlich ist es ein enormer Fortschritt, dass sich so viele Länder auf einen Konsens geeinigt haben. Selbst Länder, die bisher als Steueroasen galten, ziehen mit. Alle Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz müssen künftig mindestens 15 Prozent an Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Davon geht doch eine optimistische Botschaft aus: Internationaler Konsens ist möglich, selbst in global schwierigen Zeiten. Diesen Geist benötigen wir auch auf anderen Feldern, etwa der Bepreisung von CO2 im Kampf gegen die Erderwärmung. Auch da ist ein Konsens der Völkergemeinschaft nötig. Trotzdem hat die globale Mindeststeuer Schwächen.


„Unternehmen werden sich noch stärker fragen, wo sie mit Blick auf die Steuerlast am besten neue Fabriken oder Dienstleistungszentren aufbauen.“
Dominika Langenmayr, Lehrstuhls für VWL an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Welche?

Dominika Langenmayr: Sie dient nun fast nur noch dazu, sogenannte Briefkastenfirmen im Ausland trocken zu legen, die großen Unternehmen dazu dienen, Steuern in Ländern wie Deutschland zu vermeiden. Unternehmen können ihre Gewinne bilanztechnisch nun also nicht mehr so einfach in Steueroasen verlagern, dem wird ein Riegel vorgeschoben. Wenn sie aber in einem Niedrigsteuerland eine Fabrik aufbauen, dann kann dieses Land weiter deutlich weniger als die globale Mindeststeuer von 15 Prozent verlangen, theoretisch sogar null Prozent. Denn Gewinne in Höhe von anfangs zehn Prozent der Lohnsumme und acht Prozent der materiellen Vermögensgegenstände sind von der Mindeststeuer ausgenommen. Diese Ausnahme sieht der letzte OECD-Kompromiss vor, mit dem die ursprüngliche Idee der globalen Mindeststeuer aufgeweicht wurde. Die EU hat diese Ausnahmen in ihre Richtlinie übernommen, und Deutschland setzt dies nun in nationales Recht um.

Welche Folgen wird das haben?

Dominika Langenmayr: Der Standortwettbewerb um Realinvestitionen wird stärker. Unternehmen werden sich noch stärker fragen, wo sie mit Blick auf die Steuerlast am besten neue Fabriken oder Dienstleistungszentren aufbauen.

Wie hätte die EU das verhindern können?

Dominika Langenmayr: Das wäre nur in den internationalen Verhandlungen möglich gewesen. Aber manche Länder wollten das nicht, zum Beispiel das EU-Mitgliedsland Irland. Für die Iren ist ihre Unternehmenssteuer von 12,5 Prozent ein Standortfaktor.

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Welchen steuerpolitischen Ratschlag geben Sie der Politik, um Unternehmen im Land zu halten?

Dominika Langenmayr: Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen künftig die globale Mindeststeuer zahlen. Für sie sollten andere Regelungen, die wir bisher im nationalen Steuerrecht hatten, entfallen, insbesondere die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung. Nach dieser müssen Unternehmen in Deutschland beispielsweise ausländische Zinseinkünfte nachversteuern, wenn diese im Ausland nicht adäquat besteuert werden. Das gilt auch für andere sogenannte passive Einnahmen. Deren Besteuerung regelt aber künftig die globale Mindeststeuer. Unternehmen sollten hier keine zwei Meldungen mehr abgeben müssen. Solche Entbürokratisierungsmaßnahmen kosten den Fiskus so gut wie nichts, senken aber bei den Unternehmen massiv den Erfüllungsaufwand.