Carlos Kasper (SPD) im Interview : Fünf Fragen zum Lastenausgleich
Gerüchte um einen umfassenden Lastenausgleich und Enteignungen nennt SPD-Politiker Carlos Kasper "Quatsch". Für eine Vermögensabgabe fehle die gesetzliche Grundlage.
Carlos Kasper wurde 1994 in Lichtenstein geboren und sitzt seit 2021 im Deutschen Bundestag. Er ist Mitglied im Finanzausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales.
#1
Herr Kasper, im Internet kursieren Videos, in denen aggressiv behauptet wird, 2024 werde es eine große Enteignungswelle geben, gesetzliche Grundlage sei eine 2019 beschlossene Reform des Lastenausgleichgesetzes von 1952. Was sagen Sie als Finanzpolitiker dazu?
Carlos Kasper: Das ist großer Quatsch. Für solche Enteignungen gibt es keine gesetzliche Grundlage, dazu wird es nicht kommen. Enteignungen sind nach dem Grundgesetz nur möglich, wenn das Gemeinwohl schwerer wiegt als das Eigentumsrecht des Einzelnen. Der Staat kann aber niemanden entschädigungslos enteignen. Er muss also zahlen, wenn er beispielsweise ein Grundstück benötigt für den Bau einer Straße. Niemand muss Angst haben, dass ihm sein Haus oder seine Wohnung weggenommen wird.
#2
Worum ging es in der damaligen Reform?
Carlos Kasper: Zum 1. März 2020 trat eine Pflicht zur Impfung gegen Masern für Mitarbeiter und Kinder beispielsweise in Kindertagesstätten in Kraft. Die Gesetzesänderung regelt als einen Punkt unter vielen Entschädigungen für den sehr seltenen Fall eines Impfschadens infolge einer gesetzlichen Impfpflicht. Was das Gesetz nicht ermöglicht und auch nicht ermöglichen soll, sind Enteignungen.
#3
Aus Ihrer Partei kommen immer wieder Forderungen nach Vermögensabgaben. Was hat es damit auf sich?
Carlos Kasper: Wir müssen unterscheiden zwischen einer Vermögensabgabe, also einer einmaligen Abgabe, und der Besteuerung von hohen Vermögen, Erbschaften oder Einkommen. Für eine Vermögensabgabe fehlt die gesetzliche Grundlage. Auch wenn das Grundgesetz diese prinzipiell vorsieht.
#4
Was heißt das konkret?
Carlos Kasper: Wir wollen erstens die Einkommensteuer für reiche Menschen mit einem Jahreseinkommen von mehr als 250.000 Euro erhöhen, bei Verheirateten sprechen wir von 500.000 Euro. Damit wollen wir den absehbaren Wegfall des Solidaritätszuschlags für Spitzenverdiener ausgleichen. Zweitens wollen wir, dass auch Firmenerben höhere Erbschaftssteuern zahlen müssen. Dort gelten bisher sehr umfangreiche Ausnahmen. In Deutschland werden nur zwei Prozent der vererbten Werte besteuert, und davon entfallen wiederum nur zwei Prozent der Steuereinnahmen auf Ostdeutschland. Das ist extrem ungerecht. Die Steuern für kleine und mittlere Einkommen wollen wir senken.
#5
Welche Einnahmen kann der Staat durch höhere Erbschaftssteuern erzielen?
Carlos Kasper: Die Erbschaftssteuer steht ja den Ländern zu. Derzeit liegen die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer bei etwa neun bis zehn Milliarden Euro. Wenn wir die Erbschaftssteuer erhöhen, erhalten die Länder natürlich auch mehr Einnahmen. Nach unseren Vorstellungen sollte dieses Geld in einen Finanzausgleich fließen und daraus ein Pakt für Bildung finanziert werden. Die höheren Einnahmen sollten also vor allem in Schulen fließen.