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Foto: picture alliance/ABACA
Antennenwald im Outback: In Westaustralien entsteht ein Teil der Mega-Forschungsanlage.

Forschungsprojekt "Square Kilometre Array" : Spurensuche im All

Ein Superradioteleskop soll neue Einblicke ins Universum liefern – auch mit deutscher Unterstützung. Die Union bleibt wegen der Kosten skeptisch.

22.03.2024
2024-03-22T14:17:10.3600Z
4 Min

Es geht um nichts Geringeres als die ganz großen Menschheitsfragen. Wie sind Planeten, Sterne und Galaxien entstanden? Was ist dran an Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie? Gibt es außerirdisches Leben? In Australien und Südafrika entsteht zurzeit das größte Radioteleskop der Welt: das Square Kilometre Array (SKA). Mit seiner Hilfe erhoffen sich Forscherinnen und Forscher rund um den Globus, Antworten zu finden auf einige der rätselhaftesten Phänomene im Universum.

Tausende Antennen werden dafür aktuell in abgelegenen Regionen auf der Südhalbkugel errichtet. Sie sollen später zu einem "Teleskop der Superlative" zusammengeschaltet werden, wie Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) das ambitionierte Projekt beschreibt. 2029 soll die internationale Forschungsanlage einsatzfähig sein. Dann, so lautet das selbstdefinierte Ziel, werde sie "die Grenzen der Wissenschaft verschieben".

Ministerin  Stark-Watzinger spricht von einer "neuen Ära der Astronomie"

Das SKA-Observatorium, kurz SKAO, gilt als eines der wichtigsten Wissenschaftsvorhaben dieses Jahrhunderts. Es werde "das Herzstück großer Entdeckungen" sein, sagte etwa Spaniens Wissenschaftsministerin Diana Morant (PSOE) anlässlich des Baubeginns Ende 2022. Italien gehört zu den SKAO-Gründungsländern. Acht weitere, von Australien bis China, sind ebenfalls als Mitglieder beteiligt.

Jetzt will auch Deutschland, das aktuell lediglich einen Beobachterstatus innehat, der Forschungsorganisation als Vollmitglied beitreten. Wieder, muss man korrekterweise sagen, denn die Bundesrepublik war schon einmal dabei - dann aber aus finanziellen Gründen ausgetreten. Nun also der zweite Anlauf. Der Gesetzentwurf dazu stand am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnungs des Bundestages.


„Das nenne ich mal einen Big Bang in der Forschungspolitik.“
Maja Wallstein (SPD)

Ihre Beitrittspläne verkündete die deutsche Forschungsministerin bereits vor einem Jahr während eines Besuchs des südafrikanischen Standorts. Das Projekt markiere den Aufbruch in "eine neue Ära der Astronomie", teilte Stark-Watzinger mit. Ende 2023 folgte der Kabinettsbeschluss, im vergangenen Monat dann der Entwurf für ein Vertragsgesetz, das die Voraussetzungen für den Beitritt schaffen soll.

SKA werde "aktuell und absehbar das weltweit größte und empfindlichste Radioteleskop sein", heißt es darin. Auch im Bundestag stieß das Observatorium bei der ersten Lesung ausnahmslos auf Zustimmung, bei der Koalition wie der Opposition. Von einem "Big Bang" in der Forschungspolitik sprach etwa die SPD-Abgeordnete Maja Wallstein, von einem der "großartigsten Projekte der Menschheitsgeschichte" der AfD-Abgeordnete Michael Kaufmann.

Tiefe Einblicke ins Universum möglich

Anders als die optische Astronomie nutzt die Radioastronomie für ihre kosmologischen Untersuchungen Radiowellen. Dabei gelte eine Grundregel, so der SPD-Abgeordnete und Physiker Holger Becker: "Je größer das Teleskop, desto besser die Empfindlichkeit." Sprich: Es können schwächere Signale empfangen werden.

Für SKAO werden die Daten zahlreicher Einzelelemente kombiniert, insgesamt soll so eine Empfangsfläche von einem Quadratkilometer entstehen - daher der Name des Milliardenprojekts. Das Superradioteleskop umfasst zwei Teleskope, die unterschiedliche Frequenzbereiche abdecken: ein Niederfrequenz-Teleskop im Outback von Westaustralien (SKA-Low) und ein Mittelfrequenz-Teleskop in Südafrikas Karoo-Halbwüste (SKA-Mid). Damit werde es möglich, das Weltall "so detailliert wie nie zuvor zu betrachten", so SKAO-Generaldirektor Philip Diamond Anfang März.

Sein Team hatte da gerade die ersten Dipolantennen in Australien installiert, jede zwei Meter groß und geformt wie ein Weihnachtsbaum. Aus 131.072 solcher Metall-Tannen soll der Antennenwald am Ende bestehen. Gegenstück auf der anderen Seite des Indischen Ozeans werden 197 größere Parabolantennen.


„Deutschland sollte keine Zusagen machen, die es eventuell auf Dauer nicht halten kann.“
Stephan Albani (CDU)

Zum Bau will Deutschland 21 Millionen Euro beitragen - wobei die gesamte Summe von der Max-Planck-Gesellschaft übernommen wird. Zu schön, um wahr zu sein, moniert die Union und warnt vor einem Schnellschuss. "Deutschland sollte keine Zusagen machen, die es eventuell auf Dauer nicht halten kann", sagte Stephan Albani (CDU). Vor einem erneuten Beitritt müsse erst der Umgang mit möglichen Mehr- und Betriebskosten geklärt werden. Andernfalls drohe ein zweiter Austritt und damit ein "irreparabler internationaler Reputationsschaden".

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Die Ampel wies die Kritik zurück. Als Mitglied hätte Deutschland die Möglichkeit, Entscheidungen mitzutragen, sagte Stephan Seiter (FDP) und verwies auf den SKAO-Finanzplan, für den das Prinzip der Einstimmigkeit gelte. Die Grünenabgeordnete Laura Kraft befand: "Wenn sich einmal die zweite Chance bietet, sollten wir die doch nutzen."

Im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhofft man sich von dem Projekt auch einen Schub für andere Bereiche, etwa dem Ingenieurswesen und der Computerwissenschaft. Aus Sicht von Forschungsstaatssekretär Mario Brandenburg (FDP) bietet das Projekt "ungeahnte Möglichkeiten für unsere Wirtschaft". Als Beispiel verwies er auf die enormen Datenmengen, die für die Anlage verarbeitet werden müssten. Auch SPD-Politiker Becker betonte, SKAO werde "eine der größten Datenmaschinen" in der Forschungswelt, ein "Big-Data-Projekt".

Noch dauert es ein paar Jahre, bis sich Forscherinnen und Forscher mithilfe des Superradioteleskops auf die Suche nach Antworten auf die großen offenen Fragen der Kosmologie begeben können. Die wohl aufregendsten Entdeckungen, da ist man sich im SKA-Projekt sicher, werden ohnehin jene sein, die man sich bislang nicht einmal vorgestellt hat.