Piwik Webtracking Image

Debatte zur Raumfahrtstrategie : Deutschlands Weg ins All

Mit einer neuen Raumfahrtstrategie will die Bundesregierung die Rolle Deutschlands im Weltraum ausbauen. Union vermisst klares Bekenntnis zu deutschen Astronauten.

14.10.2023
2024-03-04T11:27:24.3600Z
4 Min
Foto: picture alliance/dpa

Die European Organisation for the Exploitation of Meteorological Satellites (EUMETSAT) betreibt die Wettersatelliten der ESA.

Vielleicht hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) neben seiner zahlreichen Verpflichtungen als Regierungschef bald noch ein weiteres Aufgabengebiet: den Weltraum. Nach Willen der SPD-Fraktion im Bundestag könnte es im Bundeskanzleramt perspektivisch eine Stabsstelle Koordinierung der deutschen Weltraumpolitik geben. Das schreiben zumindest einige Abgeordnete in einem Positionspapier zur Rolle Deutschlands im Weltraum.

Der steigenden Bedeutung neuer Themenfelder wie New Space, Mikrosatelliten und dem Schutz vor Weltraumschrott hat die Bundesregierung nun in einer neuen Raumfahrtstrategie Rechnung getragen.

Die Raumfahrt soll raus aus der Nische

Die Raumfahrt habe seit Verabschiedung der vorherigen Raumfahrtstrategie vor 13 Jahren einen fulminanten Wandel erlebt, sagte Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen), Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, in der Debatte zur Raumffahrtstrategie der Bundesregierung am Mittwoch. "Die Raumfahrt ist kommerzialisiert worden, trägt heute zur Wertschöpfung bei und leistet auch zur Industrialisierung einen enormen Beitrag", so Christmann. "Sie ist raus aus der Nische und wirklich elementar für Klimaschutz, für Digitalisierung, für unsere Sicherheit." Raumfahrt sei nun kritische Infrastruktur.

Mit der Strategie würden wichtige Schwerpunkte gesetzt, allen voran in der Frage der Wertschöpfung und der Kommerzialisierung, so Christmann. "Wir setzen einen Schwerpunkt auf den ganzen New-Space-Sektor, wo wir unsere Startups, aber auch unseren starken Mittelstand unterstützen", erläuterte die Grüne.

Wie das gelingen soll, beschrieb ihr Koalitionspartner Reinhard Houben von der FDP-Fraktion: Bei der Raumfahrt gehe es gleichermaßen um "Hightech, Innovation, dynamische Prozesse, Weltklasse-Mittelständler und um wirtschaftliche Impulse". Die Ampel haben deshalb die Ausschreibungsmodelle so dargestellt, dass sie flexibler und wettbewerbsorientierter ausgestaltet seien, erläutert Houben: "Wir gehen weg vom rein staatlich-planwirtschaftlichen Modell, wie es zum Teil in der europäischen Raumfahrt betrieben wird."


„Raumfahrt ist elementar für den Klimaschutz und unsere Sicherheit.“
Anna Christmann (Grüne), Raumfahrtkoordinatorin

Auf die europäische Raumfahrt ging auch Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) ein. "Als Europäerinnen und Europäer wollen wir aktive Player mit eigenem Zugang zum All sein, und dafür braucht es eine enge europäische Zusammenarbeit und auch den Wettbewerb um die besten Technologien." Um in diesem zu bestehen, sei auch die Nachwuchsförderung ein wichtiger Baustein der Strategie, so Kopf.

"Zeitenwende" in der Weltraumpolitik gefordert

Dass in der nun vorliegenden Strategie "eine ganze Reihe von Punkten aus unserem Papier Eingang gefunden haben", freute den SPD-Abgeordneten Sebastian Roloff. Bei der Raumfahrt handele es sich um ein Wirtschaftsfeld vor einem "unvorstellbaren Aufwuchs", sagte Roloff und zitiert Zahlen einer Unternehmensberatung, laut derer bis zum Jahr 2030 eine Billion Euro Wertschöpfung global in der Raumfahrt stattfinden werde. "Investitionen in die Raumfahrt sind gut angelegt", so der Sozialdemokrat, "denn jeder investierte Euro schafft die vierfache direkte und die neunfache indirekte Wertschöpfung."

Mehr zum Thema

Konzept zur Raumfahrt: Das steht in der Weltraumstrategie

Auch wenn aus den Reihen der Oppositionsfraktionen keine Zweifel an der Notwendigkeit der Raumfahrtstrategie laut wurden, gab es doch Kritik an einigen Punkten. So vermisste die CDU/CSU-Fraktion zum einen ein klares Bekenntnis zu deutschen Astronauten. Es sei "bedauerlich", sagte der Christdemokrat Klaus-Peter Willsch, dass dieses Bekenntnis in der Zusammenarbeit mit den amerikanischen Partnern bei der Artemis-Mission fehle. "Das ist eine Leerstelle in dieser Strategie; da bleibt man etwas ratlos zurück." Willsch forderte zudem eine "Zeitenwende" in der Weltraumpolitik. So fehle ein konkreter Plan zum Schutz der kritischen Infrastruktur im All.

Christmann hatte zuvor gesagt, dass für Sicherheit und Souveränität zwar "starke deutsche Aktivitäten" wichtig seien, aber auch das Engagement Deutschlands in der europäischen Weltraumagentur ESA, bei der Deutschland weiterhin stärkster Zahler sei: "Auch in schwierigen haushalterischen Zeiten", so Christmann. Mit der Investition in die neue Satellitenkonstellation für Europa, Iris2, mache man sich unabhängiger von anderen Satellitenkonstellationen.


„Warum entstehen Firmen wie Elon Musks SpaceX nicht in Deutschland? “
Malte Kaufmann (AfD)

Es werde am falschen Ende gespart, befand hingegen Klaus Ernst (Die Linke) beim Thema Investitionen. "Sie legen bei dem Thema eher den Rotstift an", sagte er in Richtung der Regierungsfraktionen. Wenn es darum gehe, die Raumfahrtstrategie im eigenen Land umzusetzen, brauche man Geld. Dafür, dass man zeitgleich zur Beratung der Strategie zur Kenntnis nehmen müsse, dass die Mittel in diesem wichtigen Bereich gekürzt würden, habe er kein Verständnis, so Ernst.

Als einen "riesigen Kosmos an Anwendungsmöglichkeiten" bezeichnete der AfD-Abgeordnete Malte Kaufmann das Thema Raumfahrt. Es eröffneten sich dort Geschäftschancen für technologieorientierte, innovative deutsche Unternehmen. Kaufmann forderte, die Bundesregierung möge sich ein Beispiel am US-amerikanischen Unternehmer Elon Musk nehmen. "Der ist mit seinem Raumfahrtkonzern SpaceX binnen weniger Jahre zum weltgrößten Raumfahrtunternehmen und Satellitenbetreiber aufgestiegen", sagte der Abgeordnete. Fast 5.000 funktionierende Satelliten habe Musk bislang ins All gebracht; warum es ein Unternehmen wie SpaceX nicht in Deutschland gebe? "Weil bei uns die Rahmenbedingungen nicht stimmen: zu hohe Energiekosten, viel zu viele Steuern und Abgaben und viel zu viel Bürokratie"´, sagte Kaufmann.

Im Anschluss an die Debatte wurde die Unterrichtung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen.