Bundeshaushalt 2023 : "Entlastungen sind die einzig richtige Antwort auf die Krise"
Dennis Rohde, Chef-Haushälter der SPD-Fraktion, sieht im Haushalt 2023 Entlastungen für die breite Mitte der Gesellschaft.
Die Koalition hat es geschafft, im Bundeshaushalt 2023 haarscharf unter der grundgesetzlichen Verschuldungsgrenze zu bleiben. Die Opposition wirft Ihnen allerdings vor, Sie hätten einen haushaltsrechtlich fragwürdigen Trick angewendet, indem Sie hunderte Milliarden künftiger Schulden auf Sondervermögen verbuchen, bevor die Schuldenbremse ab Januar wieder greift. Was entgegnen Sie darauf?
Dennis Rohde: Die Tatsache, dass man gezielte Ausgaben über Sondervermögen angeht, ist nicht von dieser Koalition neu eingeführt worden, sondern war auch in den Koalitionen mit der Union immer Bestandteil der Politik. Das ist oftmals auch sehr sinnvoll. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wenn man eine Naturkatastrophe hat und weiß, dass man für den Wiederaufbau danach eine Summe von mehreren Milliarden einsetzen muss, dann ist es transparent und richtig zu sagen: Wir setzen dafür die Schuldenbremse aus und verbuchen diese Kreditermächtigungen in einem Sondervermögen. Dann kann jeder sehen, wie viel aus dem Sondervermögen abgeflossen ist, und die Schuldenbremse wurde einmalig ausgesetzt. Ich glaube, so ist die Norm der Verfassung auch gedacht, und daher finde ich alles rechtlich sauber, was wir machen.
Dennis Rohde aus Oldenburg ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und stellvertretender Vorsitzender des Vertrauensgremiums zur Billigung der Haushaltspläne der Nachrichtendienste.
Es hätte dennoch die Möglichkeit gegeben, um zusätzliche Mittel zu beschaffen, entweder die Schuldenbremse im nächsten Jahr nochmals auszusetzen oder Steuern für Spitzenverdiener zu erhöhen, wie es auch die sogenannten Wirtschaftsweisen empfohlen haben. Beides war aber mit Ihrem liberalen Koalitionspartner nicht zu machen. Schmerzt Sie das?
Dennis Rohde: Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen. Ein Koalitionsvertrag besteht immer aus einem Geben und einem Nehmen. Klar ist, dass wir in dieser Frage immer eine andere Position artikuliert haben als die FDP. Aber am Ende muss man sich auf das einigen, was man im Konsens hinbekommt. Insofern war die Frage, ob wir Steuern erhöhen oder ob wir die Schuldenbremse noch einmal aussetzen, im Koalitionsvertrag beantwortet und danach auch nicht mehr Bestandteil unserer Verhandlungen.
Nun haben Sie nicht nur keine Steuern erhöht, der Bundestag hat sogar umfangreiche Entlastungen für Steuerzahler beschlossen. Dafür gibt es fraglos gute Gründe, aber Ihnen als Haushälter hat das die Arbeit sicher nicht leichter gemacht.
Dennis Rohde: Sicherlich nicht, aber es ist die einzig richtige Antwort auf die Krise. Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir jetzt nicht das Geld in die Hand nehmen würden, um Bürgerinnen und Bürger, um Unternehmen zu entlasten, dann wären die Folgen wesentlich teurer. Wenn Arbeitsplätze im großen Stil verloren gehen, wenn Unternehmerexistenzen vernichtet werden, dann sind die Kosten für den Staat viel höher. Von daher ist das, was wir gerade machen, ökonomisch sinnvoll, auch wenn die Zahl momentan sehr groß ist.
Ihrer Fraktion liegt erklärtermaßen die soziale Gerechtigkeit besonders am Herzen. Sehen Sie dieses Anliegen im neuen Haushalt abgebildet?
Dennis Rohde: Ja. Wir entlasten nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wir entlasten nicht nur Unternehmer. Wir machen eine Riesen-Erhöhung des Kindergeldes, in der Woche der Bereinigungssitzung beschlossen und von uns direkt umgesetzt. Wir haben die Einmalzahlungen an Rentnerinnen und Rentner, an Studierende etatisiert. Wir weiten den Wohngeldanspruch massiv aus. Wir schaffen ein bundesweit einheitliches 49-Euro-Ticket. Alles das ist für die breite Mitte der Gesellschaft. Von daher: Ja, ich glaube, dass wir unsere Hausaufgaben an der Stelle gemacht haben.
Zu den Besonderheiten des Bundeshaushalts 2023 gehört, dass die Mittel für Investitionen gegenüber dem laufenden Jahr um fast 40 Prozent zulegen. Der Haushaltsausschuss hat hier zuletzt den schon hohen Ansatz der Bundesregierung noch einmal deutlich erhöht. Welche Überlegung steht dahinter?
Dennis Rohde: Wir haben sehr zielgerichtete Investitionen. Ein Beispiel: Wir investieren 1,5 Milliarden Euro zusätzlich in die Schienen-Infrastruktur. Wenn wir künftig CO2-neutraler reisen wollen, dann geht das nur, wenn wir Geld in die Hand nehmen, um die Schiene zu stärken. Zweites Beispiel: Wir investieren sehr gezielt in kommunale Einrichtungen, damit Schwimmbäder, damit Turnhallen im Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. All das hilft uns zum einen, die Bauindustrie zu stabilisieren, es hilft aber auch, die Klimaschutzziele einzuhalten. Von daher glaube ich, das sind sehr richtige Maßnahmen, die wir ergriffen haben.
Der Bundeskanzler hat im Frühjahr den Nato-Partnern zugesagt, dass Deutschland vom nächsten Jahr an zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung bereitstellen wird. Im neuen Bundeshaushalt sinken aber die Mittel für militärische Beschaffung. Wie passt das zusammen?
Dennis Rohde: Wir haben ein Hundert-Milliarden-Euro-Sondervermögen, das in den nächsten Jahren abfließen wird. Die Vereinbarung innerhalb der Koalition, übrigens auch mit der Union, ist, dass wir im Durchschnitt der nächsten Jahre das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Jeder, der mit den großen Investitionsvorhaben der Bundeswehr vertraut ist, weiß, dass man die nicht von heute auf morgen umgesetzt bekommt. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir eben auch mit dem Sondervermögen in den nächsten Jahren im Schnitt auf die zwei Prozent kommen werden.
Der Bund wird dem Haushaltsansatz zufolge im nächsten Jahr mehr als doppelt so viel Zinsen für seine Schulden zahlen müssen wie im laufenden Jahr. Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. Wie wollen Sie verhindern, dass diese Entwicklung außer Kontrolle gerät?
Dennis Rohde: Es ist richtig, wir haben eine wesentlich höhere Zinsbelastung im Bundeshaushalt, wir hatten aber auch eine historisch niedrige Belastung des Bundeshaushaltes in den letzten Jahren. Am Ende setzen nicht wir die Zinsen fest, sondern die Zinsen ergeben sich aus der Marktsituation. Wir können nur heute dafür Vorsorge treffen, indem wir den Zinsansatz im Haushalt so etatisieren, wie er zu etatisieren ist.
In den letzten Jahren hat es mehrfach Nachtragshaushalte gegeben, zuletzt wegen der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine, davor wegen Corona. Sollte im nächsten Jahr erneut zusätzliches Geld benötigt werden, werden Sie dann die Schuldenbremse doch aussetzen?
Dennis Rohde: Erst einmal haben wir beschlossen, einen Haushalt unter Einhaltung der Schuldenbremse auf den Weg zu bringen. Kein Mensch weiß, was die nächsten Monate auf uns zukommt. Wir haben ja nicht nur eine Krise, wir haben drei Krisen, die gerade parallel laufen: Die Klimakrise, die Coronakrise und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ich bin guten Mutes, dass dieser Bundeshaushalt das nächste Jahr übersteht, aber klar ist auch: Wenn wir noch einmal handeln müssen, dann werden wir handeln.
Zum Schluss noch eine eher sportliche Frage: In der sogenannten Bereinigungssitzung, in der der Haushaltsausschuss letzte Hand an den Regierungsentwurf anlegt, haben Sie mit rund 18 Stunden einen neuen Rekord aufgestellt. Wie fühlt sich ein solcher Sitzfleisch-Marathon an?
Dennis Rohde: Wir hatten viele Faktoren, die da hereingespielt haben, zum Beispiel viele namentliche Abstimmungen, die zu Unterbrechungen geführt haben. Wir werden sicherlich mit dem Präsidium über den Plenarablauf sprechen, damit wir das beim nächsten Mal besser hinbekommen. Ich glaube, auf 18 Stunden muss keiner stolz sein. Unser Ziel sollte sein, dass wir in Zukunft wieder etwas ökonomischer mit unserer Zeit umgehen.