Schuldenregel : Flexible Bremse
Weil nächstes Jahr ein Abschwung droht, kann der Finanzminister tiefer in die Kreide gehen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kann einen großen Haken auf seiner To-Do-Liste machen: 2023 soll - so sieht es der nun beschlossene Haushalt vor - die Schuldenbremse tatsächlich greifen. Damit endet zumindest im Kernhaushalt vorerst die haushaltspolitische Notlage, die mit der Corona-Pandemie vor rund zweieinhalb Jahren begann. Nahm der Bund 2020 noch 113,77 Milliarden Euro sowie 2021 216,53 Milliarden Euro neue Schulden auf und plant in diesem Jahr mit einer Nettokreditaufnahme von 139,18 Milliarden Euro, sind im kommenden Jahr neue Kredite in Höhe von 45,610 Milliarden Euro geplant.
Neuverschuldung fällt deutlich höher aus
Die Neuverschuldung fällt allerdings deutlich höher aus, als Lindner bei der Vorstellung des Regierungsentwurfes für den Bundeshaushalt vorgesehen hatte. Seinerzeit hatte der Liberale noch mit einer Nettokreditaufnahme von 17,25 Milliarden Euro geplant und war damit genau im Rahmen der nach der Schuldenregel des Grundgesetzes erlaubten Neuverschuldung geblieben. Doch auch der neue Ansatz bleibt knapp in diesem Rahmen. Grund dafür ist, dass die Schuldenregel, wie Lindner auch in der Debatte (siehe oben) bemerkte, eine gewisse Flexibilität zulässt, gerade mit Blick auf die Wirtschaftsentwicklung. Diese hat sich seit Vorstellung des Entwurfes nämlich deutlich eingetrübt. Ging man im Sommer noch von einem leichten Wachstum der Volkswirtschaft aus, stehen die Zeichen nun auf Abschwung.
Grundsätzlich lässt die Schuldenregel eine strukturelle Neuverschuldung von 0,35 des nominalen Bruttoinlandsproduktes zu. Das wären für 2023 12,61 Milliarden Euro. Dazu tritt das Saldo der finanziellen Transaktionen. Das bezieht sich beispielsweise auf ausgegebene Darlehen und Darlehensrückflüsse. Für 2023 beträgt das Saldo -17,67 Milliarden Euro, unter anderem, weil die Aktienrente über ein Darlehen aufgebaut werden soll. Die Nettokreditaufnahme darf um diesen Betrag höher ausfallen.
Dann kommt die Konjunktur ins Spiel: Läuft's gut, dann muss die Nettokreditaufnahme niedriger ausfallen. Im sommerlichen Regierungsentwurf war aufgrund des erwarteten Wachstums deswegen eine Minderung von 2,9 Milliarden Euro vorgesehen. Nun drehen sich die Vorzeichen: Weil es düster aussieht, darf der Bund zusätzlich 15,3 Milliarden Euro aufnehmen. Dahinter stehen, wie überhaupt bei der ganzen Schuldenregel, EU-Vorgaben. In der Summe beträgt die maximal zulässige Kreditaufnahme 45,616 Milliarden Euro, Lindner bleibt immerhin 60 Millionen Euro darunter.
Teure Schulden
Allerdings fällt nicht nur die Neuverschuldung höher aus, auch die Ausgaben für den Schuldendienst schnellen in die Höhe. Plante das Finanzministerium bei Vorlage des Entwurfes noch mit Ausgaben für Zinsen und Co. in Höhe von 29,55 Milliarden Euro, rechnet der beschlossene Etat mit Ausgaben in Höhe von 39,84 Milliarden Euro - 23,64 Milliarden Euro mehr als im laufenden Jahr.
Das liegt zum einen an der höher ausfallenden Neuverschuldung, zum anderen an den steigenden Zinsen. Die Europäische Zentralbank hat inzwischen zwei große Zinsschritte verkündet, um der Horror-Inflation zu begegnen, entsprechend kostet aber auch die deutsche Staatsverschuldung wieder mehr als in den vergangenen Jahren. So sind nun beispielsweise für "Disagio auf Bundesanleihen, Bundesobligationen, Bundesschatzanweisungen, unverzinsliche Schatzanweisungen und Darlehen" 15,83 Milliarden Euro statt 8,58 Milliarden Euro im Regierungsentwurf veranschlagt. Höher fallen auch die Rückstellungen für inflationsindexierte Bundeswertpapiere aus. Statt geplanter 7,6 Milliarden Euro sind nun 7,6 Milliarden Euro (Soll 2022: 4,6 Milliarden Euro) veranschlagt.