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Haushaltsdebatte im Bundestag : Kanzler kontert Kritiker

Beim Schlagabtausch mit der Opposition zeigt sich Bundeskanzler Scholz ungewöhnlich kämpferisch. Aber auch Unionschef Merz teilt kräftigt aus.

07.06.2022
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4 Min
Foto: picture-alliance/dpa/Michael Kappeler/Kay Nietfeld/Collage: S. Roters

Angriffslustig: Kanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte giftig auf die Vorwürfe von Oppositionsführer Friedrich Merz (Union).

Scholz kann nur moderat? Von wegen. Der Kanzler kann auch anders. Wenn man ihn ärgert. Wenn er sich zu Unrecht angegangen fühlt. Dann wird seine Gestik ausholender, fällt sein Lächeln schmallippiger aus, gerät ihm seine Rhetorik ruppiger als üblich. So zuletzt zu erleben beim Schlagabtausch im Bundestag am vergangenen Mittwoch, als vier Stunden lang über die Politik der Bundesregierung debattiert wurde.

Das erste Wort in der Generalaussprache war dem Chef der größten Oppositionsfraktion vorbehalten. Friedrich Merz von der Union trat nach zwei jüngst gewonnenen Landtagswahlen der CDU vorfreudig beschwingt ans Rednerpult, dankte den Ampelparteien für die "vollumfängliche" Übernahme "aller" Unionswünsche in den Verhandlungen über das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr - und ging umstandslos zur Attacke über.

Merz: Scholz bleibt hinter den selbstgestellen Ansprüchen zurück

Scholz rede derzeit zwar mehr als sonst, sage aber unverändert nichts. "Herr Scholz, was ist eigentlich Ihre Meinung?", fragte Merz vor allem mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Im Februar habe er eine vielbeachtete "Zeitenwende"-Rede im Bundestag gehalten, bleibe aber hinter den selbstgestellten Ansprüchen Tag für Tag zurück: Alles verdampfe und verdunste "im Ungefähren". Mehr als einen Monat nach einem entsprechenden Beschluss des Bundestages habe die Ukraine die zugesagten Waffen immer noch nicht erhalten.


„Sie sind hier fragend durch die Landschaft getänzelt, da werden Sie aber nicht mit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich selbst nie zu positionieren.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Hart ins Gericht ging Merz auch mit der Kommunikation des Kanzlers. Warum sage Scholz nicht, dass die Ukraine den Krieg gewinnen und Russland sich zumindest hinter die Kontaktlinie von vor dem 24. Februar zurückziehen müsse? Warum telefoniere er 80 Minuten mit dem russischen Präsidenten Putin - für den Parlamentspräsidenten der Ukraine aber, Ruslan Stefantschuk, habe er keine Zeit: "Was ist da los in Ihrer Regierung?", fragte Merz. Er vermisse, Führung, Klarheit, eine Meinung. International nehme er Verstimmung und Enttäuschung, Verärgerung und Unmut über die deutsche Politik wahr.

Scholz redet sich in Rage

Merklich verstimmt und verärgert war nach diesen Worten auch der Kanzler. Scholz schneuzte sich, trat ans Pult und holte, sich zunehmend in Rage redend, zum Gegenschlag aus. "Das ist doch einfach dahergeredetes Zeug, das Sie da vortragen" sagte Scholz. "Sie sind hier fragend durch die Landschaft getänzelt, da werden Sie aber nicht mit durchkommen, immer nur Fragen zu stellen und sich selbst nie zu positionieren." Scholz hatte sichtlich das Bedürfnis, ein paar Dinge richtig zu stellen. Weil viel nach seinen Kriegszielen gefragt werde, sagte er: "Unser Ziel ist, dass Putin nicht gewinnt. Unser Ziel ist es, dass die Ukraine sich verteidigen kann und damit erfolgreich ist."

Und zum Thema Waffen stellte er fest: "Deutschland muss sich nicht verstecken." Dann listete er das Kriegsmaterial auf, das Deutschland bereits geliefert habe: Munition, Handgranaten und Panzerabwehrminen. Sprengmaterial, Maschinengewehre und Material zur Drohnenabwehr. Gemeinsam mit Dänemark habe man Truppentransporter geliefert. Über einen Ringtausch mit Tschechien bekäme die Ukraine 20 Kampfpanzer T 72.

Kanzler kündigt Lieferung des modernsten Flugabwehrsystems an

Die Bundesregierung habe außerdem entschieden, dass die Ukraine das Luftverteidigungssystem Iris-T erhalten solle - das modernste Flugabwehrsystem, über das Deutschland verfüge. "So zu tun, als sei das nicht ein ganz besonders weitreichender Schritt gewesen, den wir jetzt gemacht haben, das ist nicht in Ordnung", sagt Scholz über den Paradigmenwechsel, deutsche Waffen an ein Land im Krieg zu liefern. Das sei keine Kleinigkeit, das sei ein Bruch der bisherigen Staatspraxis gewesen.

Weil aber nicht alles andere hinter dem Krieg zurückstehen dürfe, der Umbau von Industrie und Wirtschaft, der Klimaschutz und aktuell vor allem der Kampf gegen die rasant steigenden Preise, legte Scholz ausführlich die Entlastungen in einem Gesamtumfang von 30 Milliarden Euro dar, die seine Regierung für Bürger und Unternehmen auf den Weg gebracht habe. Und kündigte im Kampf gegen die Inflation eine konzertierte Aktion gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeitgebern an. "Wir brauchen eine gezielte Kraftanstrengung in einer ganz außergewöhnlichen Situation", sagte Scholz und mahnte: "Alle werden dazu beitragen müssen."

Grüne rufen Union zur Kooperation auf

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nahm diesen Ball auf und appellierte an Merz: "Blasen Sie nicht die Backen so auf, sondern tun Sie mit" - viele Großkrisen seien schließlich das Ergebnis von 16 Jahren unionsgeführter Regierungspolitik.

Christian Dürr (FDP) hob hervor, dass der Haushalt weitere Hilfen für die Ukraine vorsehe: Neben einer Milliarde Euro gehöre dazu auch, dass beim Generalbundesanwalt Stellen geschaffen werden für die Verfolgung von Kriegsverbrechen: "Auch die deutschen Strafverfolgungsbehörden werden die Täter verfolgen", sagte Dürr.

Opposition lehnt Haushalt ab

Auf Ablehnung stieß der Haushalt bei der Opposition. Amira Mohamed Ali von der Linken nannte die von Scholz aufgezählten Entlastungen nicht sozial, ungerecht und die Spaltung der Gesellschaft fördernd. Die Regierung gebe keine Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sieht Deutschland in einer fundamentalen Finanz- und Wirtschaftskrise, und doch gebe die Regierung Millionen für Klimaschutz in Indien und für Waffen an die Ukraine aus, während die Bürger hierzulande mit Alibi-Hilfen abgespeist würden.

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