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Landwirtschaft : Ein Gesamtpaket für das Tierwohl

Der Agrarausschuss stimmt für die Einführung des verpflichtenden Tierwohllabels, doch die geplante Agrarreform der Bundesregierung steht vor weiteren Änderungen.

24.04.2023
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3 Min
Foto: picture-alliance/Chromorange/Udo Herrmann

Im ersten Schritt für mehr Tierwohl, sollen Schweine mehr Platz im Stall bekommen.

Die Bundesregierung ist mit ihrem Gesetz für ein staatliches Tierhaltungslabel einen weiteren Schritt vorangekommen. Der Entwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hat vergangene Woche in geänderter Fassung den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft passiert. Zudem soll es nun zusammen mit Erleichterungen am Bauplanungsrecht für Stallumbauten weiter beraten werden, dazu haben die Ampel-Fraktionen einen Antrag vorgelegt.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir musste viele Zugeständnisse machen

Seitdem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) seinen Vorschlag zum Umbau der Tierhaltung vergangenen Sommer vorgestellt hatte, musste er immer weitere Zugeständnisse machen. Die Anpassung des Baurechts hatte die FDP gefordert, damit Landwirte, die auf höhere Haltungsstufen umstellen wollen, Erleichterungen und Planbarkeit erhalten. Minister Cem Özdemir hatte auch in den eigenen Reihen für Irritationen gesorgt, nachdem Ende März bekannt wurde, dass er eine zuvor überarbeitete Version des Gesetzes - in der die Tiere in den verschiedenen Haltungsstufen weniger Platz bekommen sollten - an die EU-Kommission geschickt hatte.

Diese Vorgeschichte spiegelte sich in der Bundestagsdebatte am vergangenen Donnerstagabend wider. Zwar versuchte Renate Künast (Grüne), ehemalige Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, vorauszublicken, und nannte das nun vorliegende Gesetz "den Grundstein für eine zukunftsfähige Tierhaltung". Nach über zwei Jahrzehnten Diskussionen werde es nun ein verbindliches Sigel für unverarbeitetes, frisches Schweinefleisch geben. Verbraucher könnten bereits an der Ladentheke feststellen, wie das Tier gehalten wurde.

Fünf Haltungsstufen werden unterschieden

Das Fleisch solle mit den fünf Haltungsstufen Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio ausgewiesen werden. Zudem sollten künftig weitere Tiersorten, das verarbeitete Fleisch, die Gastronomie und die Außer-Haus-Verpflegung mit in das Vorhaben einbezogen werden.

Dafür bekam Künast Unterstützung von Franziska Maschek (SPD), die betonte, dass "die Verbraucher und die Tierhalter ein besseres Tierwohl wollen". Die Vorgängerregierung habe "über zehn Jahre lang" nur über das Thema diskutiert, nun werde gehandelt.Landwirtschaftliche Betriebe bekämen nun Planungssicherheit, "nur dann rechnen sich Investitionen", so Maschek.

Auf der anderen Seite benötigten die Verbraucher mehr Transparenz bei ihren Kaufentscheidungen, "deshalb arbeitet die Koalition an einem Gesamtpaket für mehr Tierwohl". Die Ausschüsse Ernährung und Landwirtschaft sowie der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen hätten "intensiv und konstruktiv zusammengearbeitet", das solle fortgesetzt werden.

FDP sieht Änderungsbedarf beim Baugesetzbuch

Daniel Föst (FDP) unterstrich die Notwendigkeit, das Bauplanungsrecht anzupassen. Der Gesetzentwurf werde Anreize für mehr Tierwohl schaffen. Es gebe Änderungsbedarf beim Baugesetzbuch, weil seit 2013 viele Betriebe "lange Verfahren bei Umbauten auf sich nehmen müssen".

Nun werde die Grundfläche beim Umbau erweitert, um den Tierbestand nicht reduzieren zu müssen. Wenn sich ein Landwirt zu einer Umstellung in eine höhere Haltungsform und zum Umbau entschließe, könne dem einzelnen Tier mit einem größeren Stall mehr Platz verschafft werden.


„Die derzeit zur Verfügung stehenden 150 Millionen Euro pro Jahr sind ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Michael Kießling (CDU)

Bei den Oppositionsfraktionen erntete das Gesamtpaket Tierwohl heftige Kritik. Dem CSU-Abgeordneten Michael Kießling fehlen nicht nur Regeln zum Immissionsschutz, vor allem, wenn es um mehr Freilauf für die Tiere gehen solle. Außerdem sei die Finanzierung der Maßnahmen nicht geklärt.

"Die derzeit zur Verfügung stehenden 150 Millionen Euro pro Jahr sind ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte Kießling. Die Borchert Kommission habe drei Milliarden Euro pro Jahr für Stallumbauten errechnet. Mit der Kennzeichnungspflicht werde die Produktion ins Ausland verlagert, "das dient weder dem Tierschutz noch dem Klimaschutz".

Linke kritisiert Unklarheiten

Ina Latendorf (Linke) bezweifelte, dass Landwirte durch die Anpassung des Baurechts mehr Rechtssicherheit erhielten. Die vorgeschlagenen Änderungen regelten lediglich Anlagen im Außenbereich, der Innenbereich werde nicht erfasst.

Zudem befinde sich das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz noch im parlamentarischen Verfahren und gelte nur für die Schweinehaltung, "andere Tierarten sollen zwar folgen, aber wann, ist unklar". Rinderhalter würden ihre Baugenehmigungen deshalb "nicht in die Tat umsetzten, denn keiner weiß, ob das, was gebaut wird, auch in zwei Jahren noch genutzt werden darf". Auch Latendorf kritisierte die fehlende finanzielle Förderung .

AfD : Allein im Jahr 2022 haben zehn Prozent der Schweinehalter aufgegeben

Stephan Protschka (AfD) merkte an, der Tierschutz dürfe nicht am Baurecht scheitern. Allerdings bemängelte er, dass die Erleichterungen nicht für alle schweinehaltenden Betriebe gelten sollten. Alleine im Jahr 2022 hätten zehn Prozent der Schweinehalter aufgegeben, dieser Trend werde sich mit dem nun vorliegenden Gesetz fortsetzen. Deshalb lege seine Fraktion einen Antrag (20/6418) vor, der EU-weit einheitliche Standards für die Nutztierhaltung vorsehe. Die Anträge wurden an die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen.