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Foto: picture alliance/SZ Photo/Rainer Unkel
Die Waldzustandserhebung 2022 kommt zum Ergebnis: Vor allem ältere Bäume über 60 Jahre sind von Schaderscheinungen betroffen.

Kampf gegen das Waldsterben : Waldumbau wird zum Marathon

Seit 2018 sind rund fünf Prozent der deutschen Wälder verlorengegangen. Mit Aufforstung und Klimaschutzleistungs-Modellen soll der Wald resilienter gemacht werden.

02.01.2023
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3 Min

Ob in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Sachsen, bei Fahrten durch das Land sind die Waldschäden mit bloßem Auge sichtbar: Fichten und Kiefern sind genauso betroffen wie Buchen, Eichen oder Ahorn. Hitze und Dürre der letzten Jahre haben dem Wald schwer zugesetzt. Seit 2018 sind rund fünf Prozent der deutschen Wälder verlorengegangen, das sind 500.000 Hektar von insgesamt 11,4 Millionen Hektar Wald. Besonders betroffen sind Monokulturen. In den 1950er Jahren wurden vorrangig Fichten als wichtigster Holzlieferant aufgeforstet. Vor allem der Borkenkäfer findet dort immer bessere Bedingungen. In früheren Jahren sind 90 Prozent der Tiere im Herbst und im Winter abgestorben. Durch frostarme oder frostfreie Winter und sehr trockene, heiße Sommermonate hat sich die Zahl umgedreht - 90 Prozent der Borkenkäfer überleben, und sie sind mittlerweile in der Lage, ganze Waldbestände zu zerstören.

Waldumbau mit neuen Modellen

Vor diesem Hintergrund wird darüber diskutiert, wie die Wälder resilienter gemacht werden sollen, welche Arten dafür in Frage kommen, und wie die Finanzierung aussehen könnte, Klimaschutz und Biodiversität rücken dabei stärker in den Vordergrund. Wissenschaftler, Waldbesitzer und Umweltverbände sind sich einig, dass ein Waldumbau mit neuen Modellen arbeiten muss. "Aus meiner Sicht erfordert der Waldumbau ein differenziertes Vorgehen. Dies schließt den Anbau von nicht-heimischen Arten ein, allerdings nur nach genauer Prüfung", sagt Christian Ammer, Professor für Waldbau und Waldökologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Bereits heute sollten auf Fläche nur jene nicht-einheimischen Arten verwendet werden, über deren Ökologie und deren Wirkungen auf das Ökosystem in unseren Breiten ausreichendes Wissen vorhanden sei. Unter künftigen Klimabedingungen möglicherweise interessante Baumarten etwa aus mediterranen Regionen sollten, wenn bislang keine ausreichenden Anbauerfahrungen vorlägen, dagegen zunächst nur in Form von Versuchsanbauten eingesetzt werden.


„Fremde Baumarten bringen das Risiko ökologischer Destabilisierung mit sich.“
Sven Selbert, Naturschutzbund Deutschland (NABU)

Laut Sven Selbert, Referent für Waldnaturschutz und Nachhaltige Waldnutzung beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), wird bei der Frage nach den im Waldumbau zu verwendenden Baumarten oft übersehen, "dass ein Waldökosystem kein Holzacker ist". Vielmehr handle es sich um ein Langzeitsystem mit hochkomplexen Wechselwirkungen zwischen Bäumen und anderen Gefäßpflanzen, Wirbeltieren, Insekten, Spinnen und Milben, Algen und Bakterien - also Tausenden von Arten. Die heimischen Baumarten böten das größte Potenzial, zu stabilen Ökosystemen beizutragen. "Fremde Baumarten bringen das Risiko ökologischer Destabilisierung mit sich", warnt der Waldexperte. Eine natürliche Verjüngung und die Förderung standortgerechter heimischer Baumarten wie Rotbuche, Traubeneiche oder Bergahorn seien jedoch sinnvoll.

Anbauversuche: Wie kommen nichtheimische Baumarten mit hiesigen Standorten zurecht?

Trotz dieser Bedenken gibt es derzeit bundesweit Anbauversuche, um herauszufinden, auf welche Weise nichtheimische Baumarten wie Flaum- und Zerreiche, Baumhasel oder Libanonzeder mit hiesigen Standorten zurechtkommen. Auch in Brandenburg wartet man auf erste Ergebnisse. Allerdings gelte es zwischen Wald in Schutzgebieten und Wald außerhalb dieser Zonen zu unterscheiden, sagt Martina Heinitz, Referentin für Wald- und Forstwirtschaft im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg.

Neben der Frage der Aufforstung sollen beim Waldumbau auch sogenannte Klimaschutzleistungs-Modelle eine stärkere Rolle spielen. Dabei gilt der Wald nicht mehr nur als Holzlieferant, sondern auch als "förderungsfähiger Klimaschützer" und "Ort der Artenvielfalt", schreibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Mitte November wurde das Förderprogramm "Klimaangepasstes Waldmanagement" gestartet. Dazu stehen 900 Millionen Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds bis 2026 bereit.

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Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) fordert, für diese Aufgabe "sowohl öffentliche als auch private Mittel zu mobilisieren". In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft Ende 2022 betonte AGDW-Präsident Andreas Bitter: "Zukünftig muss die Gesellschaft ihre Leistungsanforderungen an den Wald mit finanziellen Kompensationsangeboten verbinden." Wenn die Forstwirtschaft neben der Holznutzung weitere Ökosystemleistungen wie Klimaschutz, Biodiversität, Wasserschutz sowie Erholung bereitstelle, müssten entsprechende Geschäftsmodelle entwickelt werden. Dazu gehörten die Honorierung von Klimaschutzleistungen, Waldklima-Projekte, Vertragsnaturschutz und Waldtourismus. Nur so ergebe sich, gespeist aus privatem Markt und öffentlichen Haushalten, eine tragfähige Finanzierung für den Wald der Zukunft.