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Guido Zeitler im Interview : Fünf Fragen zum Personalmangel in Hotels und Gaststätten

Verkürzte Öffnungszeiten, Zwangsruhetage, Arbeitsverdichtung: Die Bundesagentur meldet derzeit mehr als 17.000 offene Stellen allein für die Hotellerie.

25.07.2022
True 2024-03-11T13:43:55.3600Z
2 Min

#1

Herr Zeitler, das Hotel und Gaststättengewerbe beklagt derzeit – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie – einen massiven Personalmangel. Was sind die Folgen für die Branche?

Guido Zeitler: Etliche Betriebe haben schon Zwangsruhetage eingelegt oder die Öffnungszeiten verkürzt, weil ihnen Personal fehlt. Denn im Zuge von Lockdown und Kurzarbeit haben viele Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen.

#2

Von welcher Größenordnung sprechen wir dabei?

Guido Zeitler: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben allein im ersten Corona-Jahr 2020 insgesamt 275.000 Beschäftigten – das ist jeder sechste – das Hotel- und Gaststättengewerbe verlassen. Im Mai 2021 waren es immer noch 160.000 weniger als vor der Pandemie. Derzeit meldet die Bundesagentur für Arbeit mehr als 17.000 offene Stellen allein für die Hotellerie.

Foto: picture alliance/Peter Niedung/NurPhoto
Guido Zeitler
Guido Zeitler ist seit 2018 Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Der gelernte Hotelfachmann war zuvor als Referatsleiter für das Hotel- und Gaststättengewerbe in der Hauptverwaltung der Gewerkschaft in Hamburg tätig.
Foto: picture alliance/Peter Niedung/NurPhoto

#3

Was kann die Branche machen, um dem Problem fehlender Mitarbeiter entgegenzusteuern?

Guido Zeitler: Es muss jetzt gelingen, abgewandertes Personal zurückzugewinnen. Ein entscheidendes Mittel dabei sind höhere Löhne und attraktivere Arbeitsbedingungen. Ein erster, wichtiger Schritt ist getan: In fast allen Tarifgebieten haben sich die Gewerkschaft NGG und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband auf bisher nie dagewesene Lohnerhöhungen geeinigt. Der Einstiegstariflöhne liegen nahezu flächendeckend bei mehr als zwölf Euro pro Stunde – ein Plus von teils bis zu 30 Prozent. Entscheidend ist, dass sich die Betriebe auch an die tariflichen Standards halten.

#4

Können sich die Betriebe im Gastgewerbe denn solche Steigerungen bei ihren Personalkosten überhaupt noch leisten?

Guido Zeitler: Für einige Unternehmen sind die gestiegenen Personalkosten natürlich eine Herausforderung. Anders sind aber keine Fachkräfte mehr zu bekommen. Wichtig ist, dass jetzt auch die Gäste Verständnis zeigen und bereit sind, für ein ordentliches Essen und eine gute Bewirtung etwas mehr auszugeben. Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar.

#5

Das ist das Geld. Aber werden nicht auch viele potenzielle Mitarbeiter durch die Arbeitszeiten – abends, am Wochenende, gern mit Überstunden – abgeschreckt?

Guido Zeitler: Zu arbeiten, wenn andere Urlaub oder Freizeit haben, das war schon immer so im Gastgewerbe. Wegen des Personalmangels gibt es aber derzeit eine enorme Arbeitsverdichtung und Belastung durch Mehrarbeit. Deshalb liegt es an den Arbeitgebern, die Gesundheit ihrer Beschäftigten zu schützen. Denn nach wie vor gilt das Arbeitszeitgesetz mit seiner täglichen Höchstarbeitszeit. Es ist aber flexibel genug, um auch Wochenendarbeit und Arbeitsspitzen im Sinne der Beschäftigten zu regeln.