Emissionen im Straßenverkehr : Neue Abgasnorm sorgt für dicke Luft
Die EU-Kommission will Emissionen im Straßenverkehr weiter reduzieren - mit strengeren Abgasvorschriften und CO2-Reduktionszielen. Doch der Widerstand wächst.
Um Klima und Gesundheit besser zu schützen, will die EU den Ausstoß von Treibhausgasen und Luftschadstoffen wie Feinstaub weiter verringern. Doch Vorgaben wie die Abgasnorm Euro-7 werden auch im Bundestag kontrovers diskutiert.
Sechs Monate ist es her, dass sich die EU nach wochenlangem Ringen Ende März auf ein weitgehendes Aus für neue Autos mit Verbrenner-Motor ab 2035 einigen konnte. Auf Betreiben der FDP setzte die Bundesregierung damals kurz vor der finalen Abstimmung noch Ausnahmen für E-Fuel-Fahrzeuge durch - zu einigem Unmut der EU-Kommission und des grünen Koalitionspartners. Nun droht neuer Ärger: Wieder geht es um mehr Klima- und Umweltschutz und weniger Emissionen im Straßenverkehr, wieder rumort es in den Mitgliedstaaten aufgrund der als zu ambitioniert empfundenen europäischen Zielvorgaben.
Im November hatte die Kommission bereits ihren Plan für die neue Euro-7-Abgasnorm vorgestellt, mit der Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide ab 2025 verschärft werden sollen. So will sie dem Problem der trotz Fortschritten noch immer schlechten Luftqualität vor allem in Städten Herr werden. Erstmalig vorgesehen ist, neben Auspuffemissionen auch den Abrieb von Reifen und Bremsen zu berücksichtigen. Damit würden künftig auch E-Autos von den Regeln erfasst. Mitte Februar schlug die EU-Kommission zudem strengere CO2-Emissionsnormen für neu zugelassene schwere Nutzfahrzeuge wie Lkw und Busse vor, die ab 2030 schrittweise eingeführt werden sollen. Der damalige EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans drängte zum Handeln: Der Verkehr sei der einzige große Sektor, in dem CO2-Emissionen heute höher seien als 1990. Tatsächlich lagen sie 2021 um 21 Prozent über dem Wert von vor 30 Jahren.
Widerstand gegen Euro-7-Norm wächst
Doch ob die Vorhaben so umgesetzt werden, ist mehr als ungewiss. Denn der Widerstand wächst, vor allem gegen die neue Euro-7-Norm: Ende August reichte Polen Klage beim Europäischen Gerichtshof ein und wehrt sich so unter anderem gegen Verbrenner-Verbot und schärfere Abgasvorschriften. Damit ist das Land nicht allein - auch eine Reihe anderer EU-Mitglieder, darunter große wie Italien und Frankreich, lehnen die neue Abgasnorm ab. Ihre Sorge: Die verschärften Schadstoff-Grenzwerte könnten der Autoindustrie schaden, weil sich in der Folge gerade Kleinwagen verteuerten und weniger gut verkaufen ließen. Autohersteller wie Renault sprachen bereits von drohenden Werksschließungen.
Warnungen, die in der deutschen Regierung unterschiedlich aufgenommen wurden: Während Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Euro-7-Norm als "Fehler" bezeichnet, drängt Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf eine baldige Verabschiedung. Danach sieht es allerdings nicht aus: Das Europaparlament ist gespalten. Während Sozialdemokraten und Grüne eine Verschärfung der Grenzwerte fordern, verlangen die Konservativen eine Abschwächung.
Diese Konfliktlinie zeigte sich am Donnerstag auch im Bundestag, als dieser über drei Anträge der Union beriet: Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, die "Abgasnorm mit Augenmaß" weiterzuentwickeln (20/5806), Technologieoffenheit im Verkehrsbereich zu gewährleisten (20/5807) und sich bei den EU-Verhandlungen für "realistische CO2-Reduktionsziele" bei schweren Nutzfahrzeuge einzusetzen (20/8401). Letzteren Antrag überwies das Plenum an die Ausschüsse, die beiden anderen lehnte es ab.
Lob für EU-Konzept
Doch die Debatte zeigte, dass in der Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen ist: "Die Union hat Probleme mit der Gegenwart und mit der Vergangenheit", sagte Stefan Gelbhaar (Grüne). Die nun vorliegende Euro-7-Norm stamme von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Beim "Unions-Lied von der Technologieoffenheit" sei daran zu erinnern, dass in den vergangenen 20 Jahren bei der Bahn 2.700 Kilometer Schiene verloren und bei der Straße 2.000 Kilometer Autobahn dazugekommen seien. "Das ist alles andere als technologieneutral." Christoph Ploß (CDU) warf der Regierung Uneinigkeit bei dem Thema vor. "Während Grüne gegen E-Fuels wettern, hat der Bundesverkehrsminister von der FDP noch vor wenigen Tagen erklärt, E-Fuels sollen im PKW-Bereich auch in Zukunft eine Rolle spielen". Isabel Cademartori (SPD) zeigte sich verwundert, weil keiner der Vorredner bisher zur Abgasnorm Euro-7 gesprochen habe. "Deshalb zurück zum Thema." Das vorliegende EU-Konzept sei eine Weiterentwicklung für alle Fahrzeuge, und das sei richtig.
Thomas Ehrhorn (AfD) nannte die Euro-7-Norm "einen Sabotage-Akt gegen das Auto im Allgemeinen und gegen den Verbrennungsmotor im Besonderen". Bei den immer strengeren Grenzwertverschärfungen gehe es nicht um Klimaziele, sondern um die massive Verteuerung privater Mobilität.
Nils Gründer (FDP) erinnerte daran, dass man sich im Koalitionsvertrag "auf eine realistische Abgasnorm" geeinigt habe. Deswegen sei es wichtig, dass sich die Bundesregierung dafür einsetze, "synthetische Kraftstoffe mit in den Euro-7-Text aufzunehmen". Ohne diesen Zusatz sei das Vorhaben für die FDP "nicht zustimmungsfähig". Dunja Kreiser (SPD), Christian Hirte (CDU) und Bernd Riexinger (Linke) gaben ihre Reden zu Protokoll, das zum Redaktionsschluss nicht vorlag.