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Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Vom Antrag bis zum Bau eines Windrades vergehen oft vier bis fünf Jahre. Mit weniger bürokratischen Genehmigungsverfahren soll das bald schneller gehen.

Beschleunigter Ausbau : Windräder sollen schneller genehmigt werden können

Durch kürzere Fristen und weniger Bürokratie will die Ampel vor allem den Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen beschleunigen. Nützen wird das auch der Industrie.

07.06.2024
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3 Min

Ein einziger Antrag für eine Windkraftanlage fülle etwa 60 Aktenordner, klagte die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie, Bärbel Heidebroek, Ende Mai. Im Schnitt zwei Jahre dauerten Genehmigungsverfahren für Windanlagen, ermittelte die Fachagentur Wind im letzten Jahr. Vom Antrag bis zum Bau eines Windrades vergingen sogar oft vier bis fünf Jahre. Zu viel. Schließlich braucht es, um die Klimaziele zu erreichen, ab 2025 einen jährlichen Zubau von zehn Gigawatt Leistung.Nun soll es dafür den nötigen Schub geben: Der Bundestag hat am Donnerstag eine Reform des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) verabschiedet, die Planungs- und Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen soll. Für den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung stimmten 377 Abgeordnete, 257 lehnten die Vorlage ab und neun Parlamentarier enthielten sich.

Koalition einigte sich nach monatelangem Ringen auf einen Kompromiss

Damit endet ein monatelanges Ringen um die Novelle: Seit Mitte 2023 hing der Entwurf im parlamentarischen Verfahren. Neben Union und Vertretern der Industrie hatten auch die Bundesländer den ursprünglichen Gesetzentwurf beanstandet. Hauptkritikpunkt: Nicht nur Wind- und Wasserstoffproduktionsanlagen sollten von vereinfachten Verfahren profitieren, sondern alle industriellen Anlagen, die an eine "klimaneutrale Produktionsweise angepasst werden müssen", argumentierte der Bundesrat. Auch Sachverständige mahnten im vergangenen September in einer Anhörung im Bundestag Nachbesserungen an. Doch erst im Mai dieses Jahres einigten sich die Koalitionsfraktionen auf einen Kompromiss, der weitgehend den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern im sogenannten Beschleunigungspakt entspricht.

Worum geht es bei der Immissionsschutzgesetz-Novelle?

⚡️ Genehmigungsprozesse für Windanlagen, Elektrolyseure zur Wasserstoffherstellung und andere Anlagen sollen etwa durch kürzere Fristen oder einen vorzeitigen Baubeginn gestrafft und beschleunigt werden.

💻 Das Antrags- und Genehmigungsverfahren soll künftig elektronisch abgewickelt werden.

☀️ Klima wird als "Schutzgut" ins Gesetz aufgenommen, um spätere Regelungen in Verordnungen nach dem BImSchG zum Schutz des Klimas zu ermöglichen.



Die Materie sei komplex, die Forderungen aufzunehmen, habe Zeit erfordert, erklärte Tessa Ganserer (Grüne) im Plenum die Hängepartie. Das Ergebnis könne sich aber sehen lassen: Die vorliegende BImSchG-Novelle sei die größte "seit 30 Jahren". Sämtliche Genehmigungsverfahren würden digitalisiert, vereinfacht und entbürokratisiert - und das bei "gleichbleibenden Umweltstandards und ohne die Öffentlichkeitsbeteiligung und einen effektiven Rechtsschutz über Bord zu schmeißen", betonte die Politikerin.

Ampel will durch gestraffte Verfahren auch die Wirtschaft ankurbeln

"Wir beenden die Zeit der Aktenordner", lobte auch Daniel Rinkert (SPD). Niemand müsse mehr mit "Aktenbergen" zu Behörden laufen. Ein USB-Stick reiche, das Antragsverfahren werde elektronisch abgewickelt, versprach er. Gestrafft würden Antrags- und Genehmigungsverfahren zudem durch kürzere Fristen, das Entfallen eines verbindlichen Erörterungstermins oder auch durch die Möglichkeit, Unterlagen im Prozess nachzureichen. Dass Unternehmen bald auch vorzeitig, ohne eine endgültige Genehmigung, mit dem Bau einer Anlage beginnen können, werde wie ein "Booster" für die Wirtschaft wirken, zeigte sich der Sozialdemokrat optimistisch. Mit den Änderungen zünde die Ampel den "Super-Turbo" und beschleunige die Transformation von Industrie und Energieerzeugung.

Ganz so rosig sah die Opposition das nicht: Die Koalition liefere "zu wenig und zu spät", befand Steffen Bilger (CDU). Zwar sei gut, dass sich zumindest "einige Punkte" aus dem Beschleunigungspakt im Gesetz wiederfänden. Aber ausreichen tue das angesichts der mauen Konjunkturaussichten nicht. Die Ampel bleibe auf "halber Strecke stehen", beschleunige nur bei Windkraft und Wasserstoff. Durch die Aufnahme des "Schutzgutes Klima" ins Gesetz entstünden sogar neue Probleme, Beschleunigungseffekte drohten zu verpuffen, so Bilger.

Linke kritisiert Klimapolitik der Bundesregierung

Den Nutzen der Aufnahme bezweifelte auch Susanne Henning-Welsow (Linke): Angesichts der Klimapolitik der Ampel, die ihre Sektorziele aufgehoben habe, sei das kaum ein Fortschritt.

Thomas Ehrhorn (AfD) bezichtigte die Ampelkoalition der Naivität, zu glauben, man könne ein Industrieland "nur mit Strom aus Wind und Sonne betreiben". Tatsächlich drohe eine Deindustriealisierung. Ideologisch verblendet halte die Koalition aber am teuren Windkraftausbau fest. Einspruchsmöglichkeiten der Bürger würden beschränkt, Umweltverträglichkeit werde "zur Nebensache", sagte er.

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Dass die Genehmigungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen besonders angeschoben und unter anderem ein Repowering von bestehenden Windanlagen vereinfacht werden solle, habe mit ihrem "geringeren Gefahrenpotenzial" zu tun sowie mit dem dringend benötigten Ausbau der Stromerzeugung, widersprach Judith Skudelny (FDP) den Kritikern. Die Novelle werde alle Vorhaben "merklich" beschleunigen, "vom Sportplatz bis zum Chemiepark" - und das ohne Abstriche beim Naturschutz zu machen.