Unternehmen auf der Suche : Die Vorteile des Standorts Ostdeutschland
Anderswo ist Arbeit billiger und die Märkte sind technisch überlegen. Was macht den Osten trotzdem für Investitionen attraktiv?
Warum steht die erste "Giga-Factory" für E-Autos in Grünheide bei Berlin? Ganz einfach: Die nahe Metropole habe "die besten Nachtclubs". So begründete Tesla-Chef Elon Musk in einem Podcast die Standortwahl. Vermutlich nicht ganz ernst gemeint. Mehr als persönliche Vorlieben des Exzentrikers dürften andere Faktoren entschieden haben: das riesige verfügbare Baugelände, beispiellos schnelle Freigaben selbst für großflächige Waldabholzungen sowie als Zugabe üppige Subventionen - und das alles in der prosperierenden deutschen Hauptstadtregion mit ihrer hervorragenden Infrastruktur.
Tesla, so weit das Auge reicht: die Giga-Factory von Elon Musks Autohersteller Tesla nimmt ein riesiges Gelände in Grünheide in Brandenburg ein.
Wenn internationale Konzerne neue Standorte für Produktion, Vertrieb oder Forschung suchen, laufen dazu aufwändige Auswahlverfahren. Und Wirtschaftsförderer von Kommunen, Regionen und Ländern legen sich ins Zeug, um Unternehmen zu locken, die Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wohlstand bringen sollen. Ostdeutschland hat dabei in letzter Zeit oft die Nase vorne - teils gegen harte Konkurrenz.
Für Professor Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist das keine Überraschung: "Über alle Bereiche hinweg sprechen für den Osten hohe Flächenverfügbarkeiten und Fördermöglichkeiten." Hinzu komme, dass "die größeren Städte in Ostdeutschland mittlerweile auch vielfältige Ausbildungsstätten sind und ein gewisses Innovationspotenzial entwickelt haben".
Leistungsfähige Verkehrswege und gut ausgebildete Fachkräfte
Ifo-Experte Joachim Ragnitz dagegen sieht zwischen Elbe und Oder auf den ersten Blick für Investoren "keine besonderen Vorteile". So könne Osteuropa mit niedrigeren Arbeitskosten punkten, Westeuropa mit großen Märkten und technologischer Überlegenheit: "Die Gefahr, zwischen diesen beiden Polen zerrieben zu werden, also weder Niedriglohn- noch High-Tech-Produktionen anziehen zu können, besteht nach wie vor."
Anders als weite Teile Osteuropas haben aber zumindest die Ballungsgebiete von Rostock über Magdeburg, Potsdam, Halle und Leipzig bis Erfurt, Jena und Dresden eine attraktive Kombination zu bieten: leistungsfähige Verkehrswege, gut ausgebildete Fachkräfte, exzellente Forschungseinrichtungen - und große Gewerbegebiete, die seit der Wiedervereinigung teuer erschlossen wurden und lange auf Ansiedlungen warten mussten.
Auch im Osten werden große Flächen knapp
Das zahlt sich nun aus. Im Westen seien geeignete Flächen schwieriger zu finden, zudem sei dort "der Widerstand gegen Neuansiedlungen noch größer ist als im Osten", sagt Ragnitz. Allerdings würden auch in Ostdeutschland große Flächen knapp. Tesla sicherte sich in Brandenburg rund 300 Hektar für die "Gigafactory", das konnten Mitbewerber im Saarland und Rheinland-Pfalz nicht bieten. Auf einer ähnlich großen Fläche von 500 Fußballfeldern errichtet Intel im Magdeburger Gewerbegebiet Eulenberg seine Chipfabriken.
Flächenverbrauch, Versiegelung und andere Umweltbelastungen wie Wasser- und Energiehunger der neuen Ansiedlungen werden von Verantwortlichen häufig heruntergespielt. Der Ifo-Forscher sieht das kritisch: Besten Ackerboden in der Magdeburger Börde für die Intel-Fabriken zu opfern sei fragwürdig: "Sinnvoller wäre es, Gewerbeflächen dort auszuweisen, wo eine alternative Nutzung von Boden ohnehin nicht so gut möglich ist - also lieber auf märkischem Sand als auf fruchtbarem Ackerland."
Umweltpunkte sammeln dagegen können ostdeutsche Standorte bei der nachhaltigen Energieversorgung. Stromerzeugung aus Windkraft ist im Norden lukrativer als im Süden der Republik, wo zudem noch die Leitungen zu den Offshore-Anlagen fehlen. Allein in die Lausitz an der Grenze zu Polen pumpt der Bund bis 2040 zweistellige Milliardensummen, um die Transformation von der klimaschädlichen Braunkohleförderung und Verstromung hin zu regenerativen Energiequellen und ökologischen Wirtschaftskreisläufen zu fördern.
Grüner Strom als Standortvorteil bei Firmenansiedlungen?
Im Ausbau der erneuerbaren Energien sieht auch Carsten Schneider "eine große Chance für Ostdeutschland". Grüner Strom könne zu einem großen Standortvorteil bei Firmenansiedlungen werden, erwartet der Staatsminister der Bundesregierung. Eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Transformation seien aber auch die notwendigen Fach- und Arbeitskräfte, die auch im Osten knapper werden.
"Ich werbe dafür, dass die Unternehmen und Menschen erkennen, dass sie Zuwanderung brauchen", sagt der SPD-Politiker mit Blick auf die verbreitete Skepsis dazu gerade im Osten. Und fordert: "Arbeits- und Fachkräfte kommen nicht einfach nach Deutschland - wir müssen sie schon willkommen heißen."