Vor 70 Jahren : CDU-Abgeordneter setzt sich in die DDR ab
Ende August 1954 sorgte der CDU-Abgeordnete Schmidt-Wittmack für Schlagzeilen: Er flüchtete in die DDR. Später stellte sich heraus, dass er für die Stasi spionierte.
"Schon wieder einer nach Osten getürmt", lautete die Schlagzeile im August 1954. Es waren erst wenige Wochen vergangen, nachdem der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Otto John, unter ungeklärten Umständen in Ost-Berlin aufgetaucht war, als ein anderer bekannter West-Deutscher in der DDR ankam. Am 21. August 1954 gab das DDR-Innenministerium bekannt, dass der Bundestagsabgeordnete Karlfranz Schmidt-Wittmack um Asyl gebeten habe. Schnell wurde klar: Der CDU-Politiker hatte für die Stasi spioniert.
Schmidt-Wittmack zog erst 1953 in den Bundestag ein, seine Geheimdienstkarriere begann aber wohl schon 1948, als er für die Parteiaufklärung der KPD/SED tätig wurde. Wie wertvoll er für Ost-Berlin war, ist nicht eindeutig geklärt.
Informant von "unschätzbarem Wert"
In seinen Memoiren nannte allerdings DDR-Spionagechef Markus Wolf Schmidt-Wittmacks "Informationen über geheime Ausschusssitzungen" - er war Mitglied im Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit und im Ausschuss für gesamtdeutsche und Berliner Fragen - "von unschätzbarem Wert".
Laut Wolf hatte Schmidt-Wittmack nie eine Flucht in die DDR geplant. Nur durch das Vortäuschen einer bevorstehenden Verhaftung sei es gelungen, Schmidt-Wittmack samt Familie zu Propagandazwecken gen Osten zu lotsen. Auf einer Pressekonferenz kritisierte dieser am 26. August Kanzler Konrad Adenauer (CDU) für dessen "autoritativen" Politikstil und die Forcierung der Wiederbewaffnung.