wirtschaft : Nach dem Stillstand
Vorschläge der Opposition für Wege aus dem Lockdown sind umstritten
Lockdown - und wie weiter? Je länger der Stillstand im Land andauert, desto lauter ist das Ächzen der Wirtschaft zu hören, vom Einzelhandel über die Gastronomie bis hin zu Zulieferern. Und umso dramatischer die Situation in einzelnen Branchen wird, desto schärfer wird der Ton unter den wirtschaftspolitischen Fachleuten im Bundestag. In der vergangenen Woche hatten sich die Abgeordneten zu gleich zwei längeren Debatten über Zustand und Perspektiven der Wirtschaft im Bundestag ausgetauscht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Land in eine Sackgasse manövriert, ohne Plan oder Willen für ein Wendemanöver, warf etwa Tino Chrupalla (AfD) der Bundesregierung vor. Seine Fraktion hatte mit gleich drei Anträgen die Impulse für die erste Aussprache geliefert (siehe Kasten). Chrupalla sah darin eine Mischung aus schlüssigen Einzelmaßnahmen und Konzepten unter der Voraussetzung eines sofortigen Endes des Lockdown. "Die Wirtschaft muss wieder hochfahren." Chrupalla forderte unmittelbare Hilfen für Geschäfte, die noch existierten, und ebenso Unterstützung auf Verbraucherseite. Dafür schwebt der AfD eine dauerhafte Mehrwertsteuersenkung vor, die beispielsweise durch geringere Zahlungen an die EU und einen Ausstieg aus der Energiewende gegenfinanziert werden solle.
Die Linksfraktion bezeichnete solche Ansinnen als überflüssige Zusammenfassung all dessen, was dem Land schaden würde. Nach ihren Vorstellungen sollte der Neustart zu einem Teil-Umbau des Systems genutzt werden: Mit einem Investitionsprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren könnte die Gesellschaft sozial-ökologisch umgebaut werden, so der Linken-Abgeordnete Alexander Ulrich. Finanziert werden solle dies mit höheren Steuern für Reiche und Wohlhabende und eine Abkehr von der "schwarzen Null". Die Linke hatte die zweite Aussprache maßgeblich initiiert. In Anträgen fordert sie ein "Mindest-Kurzarbeitergeld" und außerdem, pandemiebedingte Hilfen für Unternehmen an Bedingungen zu knüpfen. Alles andere sei "Abzocke unter Aufsicht der Regierung", sagte die Abgeordnete Susanne Ferschl (Die Linke).
Für Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) ist dieses Ansinnen berechtigt. Leider differenziere die Linke nicht zwischen großen und kleinen Unternehmen. Dröges Kritik richtete sich indes vor allem an die Bundesregierung, die bei der Auszahlung von Corona-Hilfen komplett versagt habe - eine Haltung, die die Grünen mit einem eigenen Antrag zu schnelleren und unbürokratischeren Hilfen untermauern. Fraktionskollegin Claudia Müller rief dazu auf, die Zäsur zu einer neuen klimagerechten Ausrichtung der Wirtschaft zu nutzen, was Teile der Industrie längst forderten und für sich selbst umsetzten.
Die Regierungskoalition freilich wehrte sich gegen Vorwürfe genauso wie gegen allzu weitreichende Transformationsforderungen. "Die Coronahilfsmaschine läuft mittlerweile auf Hochtouren", sagte Klaus-Peter Willsch (CDU). Die Programme seien inzwischen passgenauer. Fraktionskollege Peter Bleser (CDU) bewertete den Kurs von Bundeskanzlerin Merkel als klug und besonnen, die Wirtschaft bleibe funktionsfähig. Er sei optimistisch, was deren Erholung und Innovationskraft angehe. Deutsche Unternehmen seien auch bei Strategien zum Ausstieg aus der Kernenergie und beim Umbau der Energieversorgung federführend, sagte Bleser. "Sie stecken in alten Denkschablonen", warf der Abgeordnete der AfD vor.
Für die SPD nahm Wiebke Esdar die AfD-Steuerpläne auseinander. "Wenn die AfD die unteren Einkommen hätte entlasten wollen, dann hätte sie der Abschaffung des Soldaritätszuschlages zugestimmt", sagte sie. Die jetzigen Forderungen würden zu Milliardenausfällen führen - Geld, das für die öffentliche Infrastruktur und Investitionen und damit für den Zusammenhalt der Gesellschaft fehlen würde. "Wer an die Mehrwertsteuer heran will, der sollte sie klug reformieren, nicht einfach via Gießkanne alles senken", so Esdar. Auch die FDP griff die AfD für deren Vorstöße an und sah darin ein Sammelsurium aus Steuersenkungen, Bürokratieabbau und Fremdenfeindlichkeit. Dabei wäre es notwendiger denn je, den europäischen Gedanken als Grundlage jeglichen wirtschaftlichen Wachstums zu stärken, sagte Michael Theurer. Die FDP forderte mehr unbürokratische Hilfen für Selbstständige, steuerliche Entlastungen und einen Weg aus der Kurzarbeit.