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Bundesversammlung : Präsidentenkür im Ausweichquartier

Mit 1.472 Mitgliedern größer denn je, tagt das Verfassungsorgan am 13. Februar Corona-bedingt im Paul-Löbe-Haus in Berlin.

31.01.2022
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Dass die Bundesversammlung das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik nicht im Plenarsaal des Bundestages wählt, ist alles andere als ein Novum: Tagte sie 1949 noch im Bonner Bundeshaus, kam sie danach von 1954 bis 1969 vier Mal in der Berliner Ostpreußenhalle zusammen und anschließend bis 1989 weitere vier Mal in der Bonner Beethovenhalle; erst seit 1994 war das Reichstagsgebäude ihr Versammlungsort.

Bei der Bundesversammlung geht es traditionell eng zu

Schauplatz der nächsten Bundesversammlung wird in knapp zwei Wochen das Paul-Löbe-Haus des Bundestages sein, ein moderner, langgestreckter Bau direkt neben dem Reichstagsgebäude, der normalerweise Büros und Ausschüsse des Parlaments beherbergt, mit acht offenen Stockwerken, deren seitliche Laufgänge sich mit ihren einer Reling ähnlichen Geländern zur rund 200 Meter langen und lichtdurchfluteten Halle hin öffnen. Dort sollen sich am 13. Februar in Berlin die fast 1.500 Mitglieder der 17. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten zusammenfinden, verteilt auf mehreren Etagen.

Foto: DBT/photothek

Die 17. Bundesversammlung tritt am Sonntag, 13. Februar 2022, im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages zusammen, um das nächste Staatsoberhaupt zu wählen.

Dass dieses größte parlamentarische Gremium des Landes nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten im Plenarsaal des Bundestages tagt, liegt weniger an seiner Mitgliederzahl, die von 1.260 bei der letzten Bundespräsidentenwahl im Jahr 2017 auf nunmehr 1.472 angestiegen ist. Freilich ging es in der "Herzkammer" des deutschen Parlamentarismus schon vor fünf Jahren recht eng zu, denn wie jetzt mussten auch damals neben den Abgeordneten des Bundestages ebenso viele von den 16 Landtagen bestimmte Wahlleute Platz finden. Und da die Zahl der Mandatsträger auf Bundesebene bei den seitherigen Bundestagswahlen um 106 gestiegen ist, sind nun 212 zusätzliche Mitglieder der Bundesversammlung unterzubringen. Vor allem aber müssen sie alle Corona-bedingt mindestens 1,5 Meter Abstand halten können - das überfordert auch die üppigen Raumverhältnisse unter der Reichstagskuppel.

Ohnedies erzwingt die Pandemie zusätzliche Sonderbestimmungen: So müssen alle Teilnehmer einen aktuellen Corona-Test vorlegen und eine FFP2-Maske tragen. Immerhin: Die Halle des Paul-Löbe-Hauses hat sich bereits bei der Vereidigung der früheren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Juli 2019 als Ausweichquartier bewährt, als der Plenarsaal wegen Renovierungsarbeiten während der Sommerpause nicht nutzbar war.

Ausgang scheint sicher

So ungewohnt gleichwohl die äußeren Rahmenbedingungen dieser Präsidentenwahl sind, so wenig überraschend dürfte ihr Ausgang werden: Alles andere als die Wiederwahl des von SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP nominierten Amtsinhabers Frank-Walter Steinmeier darf als ausgeschlossen gelten, auch wenn er sich mindestens zwei Gegenkandidaten stellen muss: Neben dem Mainzer Mediziner Gerhard Trabert, der für Die Linke antritt, hat sich das CDU-Mitglied Max Otte, Vorsitzender der "Werteunion", von der AfD nominieren lassen und damit ein Parteiausschlussverfahren bei den Christdemokraten eingehandelt. Ob und gegebenenfalls mit wem die in den Landtagen von Bayern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz sitzenden Freien Wähler die Kandidatenzahl auf vier erhöhen, galt bei Redaktionsschluss noch als offen. Wahlvorschläge kann jedes Mitglied der Bundesversammlung bei der Bundestagspräsidentin schriftlich einreichen. Für den zweiten und dritten Wahlgang können neue Wahlvorschläge gemacht werden.

Seit der letzten Präsidentenwahl von 2017 haben Bundestags- und Landtagswahlen die Zusammensetzung der Bundesversammlung neu bestimmt. Sie besteht laut Grundgesetz "aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl bestimmt werden". In der Bundesversammlung am übernächsten Sonntag stellen CDU und CSU mit 445 die meisten Wahlleute, davon 197 Mitglieder des Bundestages (MdB) und 248 Länder-Vertreter. Die SPD kommt mit 206 MdB und 185 Länder-Delegierten auf insgesamt 391 Wahlleute; auf die Grünen entfallen 233, darunter 118 Bundestagsabgeordnete, und auf die FDP 154 Wahlleute, darunter 92 MdB.

Theoretisch winkt ein Spitzenergebnis

Damit kann sich Steinmeier rein rechnerisch auf 1.223 Stimmen stützen, hinzu kommen die zwei der beiden Wahlleute des Südschleswigschen Wählerverbandes, die ihn ebenfalls unterstützen wollen. Theoretisch würde dem Amtsinhaber damit ein Spitzenergebnis von rund 83 Prozent winken (siehe Beitrag unten rechts), doch muss immer mit Abweichlern von der Fraktionslinie gerechnet werden, die so für etwas Spannung sorgen.

Von den 151 Wahlleuten der AfD gehören 80 dem Bundestag an; Die Linke stellt bei 39 MdB insgesamt 71 Delegierte. Von Landtagen bestimmt wurden zudem 21 weitere Wahlleute: 18 von den Freien Wählern und drei fraktionslose.

Einberufen und geleitet wird die Bundesversammlung, deren einzige Aufgabe die Wahl des Staatsoberhauptes ist, von der Präsidentin des Bundestages; zusammentreten muss sie im Normalfall spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Staatsoberhauptes. Steinmeiers erste Amtsperiode endet am 18. März.

Keine Aussprache vorgesehen

Ebenfalls in der Verfassung festgelegt ist, dass die Wahl ohne Aussprache erfolgt. Gewählt ist, heißt es im Grundgesetz weiter, "wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erhält". Dazu wären in der 17. Bundesversammlung 737 Stimmen erforderlich, also eine mehr als die Hälfte aller Wahlleute. Wird diese Hürde in den beiden ersten Wahlgängen von keinem Kandidaten genommen, reicht im dritten Durchgang die einfache Mehrheit für die Wahl ins höchste Staatsamt.

Wenngleich es rechnerisch keine Zweifel an Steinmeiers Wahl gibt, wird das Wahlergebnis mit großem Interesse beäugt werden. So gilt das Augenmerk insbesondere der Frage, welcher Kandidat womöglich mehr oder weniger Stimmen erhält, als die ihn unterstützenden Gruppierungen an Wahlleuten zählt. Für Überraschungen sorgt zudem auf Bundesversammlungen bisweilen die Praxis der Parteien, neben aktiven und ehemaligen Politikern bei den Länder-Delegierten auch mehr oder minder Prominente aus dem öffentlichen Leben zu entsenden: Unternehmer, Gewerkschafter, Sportler, Künstler. Unvergessen ist etwa Fürstin Gloria von Thurn und Taxis als CSU-Wahlfrau in der Bundesversammlung von 2004, die nicht für Horst Köhler als Kandidat von Union und FDP votierte, sondern für die rot-grüne Bewerberin Gesine Schwan, und dies öffentlich kundtat.

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Auch in der 17. Bundesversammlung fehlt es nicht an Prominenz jenseits der Politik: Die Verlegerin Friede Springer etwa nimmt ebenso wie Fußball-Bundestrainer Hans-Dieter "Hansi" Flick für die CDU teil, während auf der Liste der SPD-Wahlleute beispielsweise Biontech-Gründerin Özlem Türici zu finden ist. Der Virologie und Corona-"Erklärer" Christian Drosten wählt auf dem Ticket der Grünen. Einen anderen Hintergrund wiederum hat Semiya Simsek-Demirtas: Die Tochter eines der Mordopfer des rechtsterroristischen "NSU" nimmt wie schon 2017 für Die Linke an der Bundesversammlung teil.