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Afghanistan-Untersuchungsausschuss : Mitarbeiter sahen keine gesetzliche Grundlage für Visa an der Grenze

Hat das Bundesinnenministerium die Evakuierung afghanischer Ortskräfte verhindert? In der Befragung verteidigten Beamte des BMI ihr Vorgehen.

19.06.2023
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2 Min

Dass Zeugen in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages Gedächtnislücken haben, kommt vor. In der Sitzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses in der vergangenen Woche konnte sich ein Beamter des Bundesinnenministeriums (BMI) allerdings weder an eigene E-Mails erinnern noch an Lagebewertungen anderer mit Afghanistan befasster Ressorts. Und wenn er sich erinnern konnte, lag das Problem ihm zufolge nicht in seiner Zuständigkeit.

Waren Ortskräfte latent gefährdet?

So ging es in der Sitzung am vergangenen Donnerstag unter anderem um einen Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND), der am 31. März 2021 festgestellt hatte, dass "alle afghanischen Ortskräfte latent gefährdet" seien. Der beim BMI für die Ortskräfte zuständige Beamte wusste nach eigenen Angaben zwar, dass es diesen Bericht gegeben habe, und er konnte sich auch vorstellen, dass ihm der Inhalt mündlich wiedergegeben worden ist. Mehr wusste er dazu aber nicht zu sagen. Außerdem führte er aus, er könne sich vorstellen, dass es Linie seines Ministeriums gewesen sei, die Migration aus Afghanistan auf ein Minimum zu begrenzen und daher nicht vom Ortskräfteverfahren und den damit verbundenen Einzelfallprüfungen abzuweichen. Da dies jedoch nicht in seiner Zuständigkeit liege, wisse er nicht, wer das entschieden habe.

BMI gegen pauschale Aufnahmezusagen

Warum das BMI den Vorschlag des Auswärtigen Amtes ausgeschlagen hat, den Ortskräften deutscher Ministerien eine pauschale Aufnahmezusage zu geben und ihnen ein Visum an der Grenze ("Visa on Arrival") zu erteilen, erklärte eine Kollegin aus dem BMI dem Ausschuss: Die rechtliche Grundlage des Ortskräfteverfahrens sei nun mal das Einzelprüfungsverfahren, betonte sie in ihrer Befragung. Eine latente Gefährdung sei kein Grund für eine Zusage, es müsse eine konkrete Gefährdung geben.

Eine pauschale Aufnahmezusage sei auch deshalb nicht möglich gewesen, weil dies nicht mit dem deutschen Aufenthaltsgesetz in Einklang gestanden hätte. Um das Verfahren anzupassen, hätte es eine andere gesetzliche Grundlage gebraucht. Allerdings, räumte sie ein, habe das BMI spätestens während der dramatischen Evakuierung vom Flughafen Kabul im August 2021 erkannt, dass das Verfahren nicht zu Afghanistan gepasst habe.


„Unsere Aufgabe ist es, auf die Einhaltung der Gesetze zu drängen.“
Beamtin im Bundesinnenministerium

Frühere Zeugen im Untersuchungsausschuss hatten am Vorgehen des BMI wiederholt Kritik geübt und betont, die Visa on Arrival-Prozedur hätte möglicherweise, rechtzeitig angewandt, viele Probleme bei der Evakuierung der Ortskräfte nach dem Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul verhindern können. "Unsere Aufgabe ist es, auf die Einhaltung der Gesetze zu drängen", rechtfertigte die BMI-Beamtin die Praxis ihres Ressorts. Ihr Kollege erklärte, es habe immer die Möglichkeit gegeben, auf eine höhere Ebene zu gehen, wenn sich die Ressorts auf Arbeitsebene nicht einigen konnten. "Wer das nicht getan hat, soll uns nicht kritisieren."