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Untersuchungsausschuss : Hoffnung auf Frieden am Hindukusch

Die Bundesregierung wollte sich Zeugen zufolge weiter in Afghanistan engagieren.

17.10.2022
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3 Min

Zwei Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes haben dem Afghanistan-Untersuchungsausschusses am vergangenen Donnerstag in seiner zweiten Zeugenfragung Rede und Antwort gestanden. Geladen waren der ehemalige Gesandte der deutschen Botschaft in Kabul und ein Referent des Auswärtigen Amtes, der im Untersuchungszeitraum in der deutschen Botschaft in Islamabad und danach als Pakistan-Referent im Auswärtigen Amt in Berlin tätig war. Themen waren die Sicherheitslage in Afghanistan nach dem Abschluss des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban im Februar 2020 und der Handlungsbedarf, den die Zeugen daraus ableiteten.

Sicherheitslage verschlechterte sich rassant

Beide bestätigten das bereits zuvor von mehreren Bundeswehrangehörigen gezeichnete Bild einer sich immer schneller verschlechternden Sicherheitslage nach dem Doha-Abkommen. Man habe die Kampfkraft der afghanischen Armee offenbar überschätzt, berichtete der ehemalige Gesandte. Das Doha-Abkommen habe die Moral der dortigen Soldaten und Polizisten untergraben. In seinen Lageberichten sei er daher zu einer immer kritischeren Einschätzung der Situation gekommen. Dennoch habe er mit einem so raschen Zusammenbruch der afghanischen Strukturen in den letzten Wochen nicht gerechnet. Bis zu seinem Dienstende im Juni 2021 in Kabul sei er davon ausgegangen, dass Deutschland auch nach dem Ende der internationalen Mission "Resolute Support" eine diplomatische Vertretung in Afghanistan unterhalten werde.

Für die Sicherheit der Mitarbeiter habe man stets alles Erdenkliche getan und Pläne für eine mögliche Evakuierung der Botschaft und des Generalkonsulats frühzeitig erarbeitet, betonte der Außenamtsmitarbeiter. Dass es tatsächlich dazu kommen würde, eine so große und letztlich unbestimmte Zahl an Ortskräften unter Zeitdruck von einem ungesicherten Flughafen aus in Sicherheit zu bringen, habe sich aber niemand vorstellen können.

Ziel war eine Einheitsregierung

Die Zeugenbefragung unterstrich den Eindruck, dass die deutsche Diplomatie ihr Engagement in Afghanistan möglichst fortsetzen wollte und darauf setzte, dem im Doha-Abkommen angedachten Friedensprozess zum Erfolg zu verhelfen. Ziel war es offenbar, auf eine die unterschiedlichen politischen Kräfte versöhnende afghanische Einheitsregierung hinzuarbeiten. Nach dem Regierungswechsel in den USA habe die Bundesregierung auf einen Strategiewechsel der Administration unter Präsident Joe Biden gehofft und in der ersten Jahreshälfte 2021 monatelang gespannt auf das Ergebnis des "Reviewprozesses" der neuen Akteure in Washington gewartet, berichtete der ehemalige Botschafts-Gesandte. Würden die Amerikaner ihren Truppenabzug verlangsamen oder gar ganz überdenken? "Wir saßen wie auf Kohlen. Wir wollten wissen, wie sich die Amerikaner entscheiden." Konkrete Planungen für den Abzug des gesamten zivilen und diplomatischen Personals habe es aber erst gegeben, als sich die Sicherheitslage rapide verschlechterte. "Das war erst Wochen nach meiner Abreise", sagte Diplomat.

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Er betonte, bei allen Risiken, die das Doha-Abkommen wegen der Beteiligung der bis dahin ausgeschlossenen Taliban beinhaltet habe, sei der darin vereinbarte Friedensprozess eine Möglichkeit gewesen, den Verfall der afghanischen Strukturen aufzuhalten. Man habe es als eine seit fast 40 Jahren nicht dagewesene Chance begriffen und versucht, den Friedensprozess zu begleiten und zu unterstützen. "Wir haben diesen Rahmen genommen und diesen Prozess unterstützt, einfach weil es der einzige war." Die afghanische Regierung und die radikalislamischen Taliban hätten sich erstmals an einen Tisch gesetzt und sich zumindest als Gesprächspartner akzeptiert.

Diesen Donnerstag setzt der Untersuchungsausschuss seine Vernehmungen fort. Als Zeugen sind geladen ein Referent der Ständigen Vertretung bei der Nato in Brüssel und ein ehemaliger Referatsleiter der Afghanistan-Abteilung im Auswärtigen Amt.