30 Jahre Jugoslawien-Kriegsverbrechertribunal : "Eine Warnung an alle Massen- und Völkermörder weltweit"
Die Prozesse zu Kriegsverbrechen in den Balkankriegen sind bis heute die größten dieser Art. Abgeordnete fordern ähnliches nun auch für die Ukraine.
161 Angeklagte, mehr als 4.000 Zeugen, fast 11.000 Prozesstage und 84 verurteilte Täter: Die Prozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien sind bis heute die größten dieser Art. Von den Vereinten Nationen am 25. Mai 1993 per Resolution zur Verfolgung schwerer Verbrechen in den Balkankriegen errichtet, diente das Kriegsverbrechertribunal auch als Vorbild für spätere Sondertribunale sowie für die Gründung des ständigen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) 2002. Auch dass heute der russische Präsident Putin per Haftbefehl von ebenjenem Gericht in Den Haag gesucht wird, wäre Experten zufolge ohne die Vorarbeit des Jugoslawien-Tribunals nicht denkbar.
Anlässlich des 30. Jahrestags seiner Gründung haben Abgeordnete aller Fraktionen in einer Vereinbarten Debatte am vergangenen Donnerstag die Leistung des Gerichtshofes gewürdigt - viele forderten zudem die Ahndung der im Krieg Russlands gegen die Ukraine verübten Verbrechen: Das Jubiläum des Tribunals sei eine "hohe Feierstunde gegen die Straflosigkeit" und eine "Warnung an alle Massen- und Völkermörder weltweit", sagte Derya Türk-Nachbauer (SPD). Die Einsetzung eines Sondertribunals für die Ukraine sei "unumgänglich". Auch der CDU-Abgeordnete Peter Beyer betonte die Notwendigkeit einer "juristischen, völkerrechtlichen und strafrechtlichen Aufarbeitung". Für diese biete die Arbeit des Jugoslawien-Tribunals wertvolle "Lehren".
Streit um Legitimation des Internationalen Strafgerichtshofs
Optimistisch zeigte sich Renata Alt (FDP): Bei der Aufklärung der Straftaten in der Ukraine stehe die internationale Gemeinschaft zwar vor einer "Mammutaufgabe", doch sei man heute weiter: Damals verurteilte das Tribunal erst nur "kleine Fische", schon jetzt habe der IStGH mit dem Haftbefehl gegen Putin den Haupttäter benannt. Dem hielt Tobias Matthias Peterka (AfD) entgegen, dass das Tribunal damals eine breite Legitimation hatte - anders als der Internationale Strafgerichtshof jetzt.
Thomas Lutze (Linke) würdigte die Erfolge des Tribunals, unterstrich jedoch, dass es Kriegsverbrechen ohne Kriege nicht geben würde. Wer sie verhindern wolle, dürfe nicht, wie Deutschland, Waffen exportieren.
Das Tribunal habe "Rechtsgeschichte geschrieben", bilanzierte Boris Mijatovic (Grüne). Beendet sei seine Arbeit aber nicht: "Mindestens 270 Verfahren" seien offen - auch aufgrund mangelnder Zusammenarbeit der Nachbarländer. Deutschland müsse sich stärker engagieren: "Aufarbeitung bleibt unsere Aufgabe."