China-Strategie : Partner und Rivale
Der Bundestag debattiert über die China-Strategie der Bundesregierung. Diese sieht China als Partner, Wettbewerber, systemischen Rivalen.
Von der "Werkbank der Welt" zum innovationsgetriebenen Hochtechnologieland: Die Volksrepublik China hat sich innerhalb einer Generation in Siebenmeilenschritten auf den Weg gemacht, um zu einer führenden Industrie- und Weltmacht zu werden. Mit diesem Aufstieg, bei dem es sich in der fünftausendjährigen Geschichte der chinesischen Zivilisation genau genommen um die Rückkehr zu einer historischen Normalität handelt, ist eine Verschiebung der Weltpolitik vom atlantischen in den pazifischen Raum verbunden, über den sich westliche Regierungen den Kopf zerbrechen.
Im Sommer hat die Bundesregierung nach Monaten interner Abstimmung ihre China-Strategie vorgelegt. Es ist ein Dreiklang, der China als Systemkonkurrenten benennt, der das eigene autoritäre Modell im globalen Maßstab durchsetzen will, zugleich als beinharten Wettbewerber im Wettlauf um Märkte und Ressourcen, aber auch immer noch als größten Handelspartner, mit dem es sich Deutschland nicht vollends verscherzen kann und will.
In der Debatte über diese Strategie warnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag im Bundestag vor einer wachsenden Gefahr von Konflikten mit der Volksrepublik. "China verändert sich als Partner, als Wettbewerber und zunehmend als systemischer Rivale." Mit der Strategie gebe die Bundesregierung den Beziehungen zu China erstmals einen festen Rahmen. "Wir wollen überall dort kooperieren, wo das möglich ist, aber auf der Grundlage von gemeinsamen und fairen Regeln."
»Ideologische Scheuklappen«
Johann David Wadephul (CDU) nannte den Aufstieg Chinas die "zentrale epochale Herausforderung des 21. Jahrhunderts". Das Land verfolge unter Präsident Xi Jinping das Ziel einer chinesisch geprägten Weltordnung und "stellt sich damit in einen Gegensatz zu uns, die wir eine werte- und regelbasierte Weltordnung verteidigen und gestalten wollen". Der Koalition warf Wadephul "ideologische Scheuklappen vor". Das gelte für die Suche nach "schwierigen, aber notwendigen" Partnern wie Saudi-Arabien genauso wie für ein Handelsabkommen mit Südamerika. "Die chinapolitische Zeitenwende der Bundesregierung steht aus."
Michael Müller (SPD) sprach von der Sorge einer zunehmenden Konfrontation Chinas und der USA. Es gehe dabei nicht allein um das Thema Taiwan und die strategische Bedeutung der Produktion von Halbleitern, sondern um einen Machtanspruch im Indopazifik, um Handelswege, Ressourcen und die Machtverteilung in diesem geopolitischen Raum für die nächsten hundert Jahre. Es brauche Formate, die das Risiko einer Eskalation "vermindern oder im besten Falle verhindern", sagte Müller. Die China-Strategie sei eine gute Grundlage, um eigene Interessen und Ziele formulieren, aber weiterhin mit China "im Dialog und einer kritischen Partnerschaft" zu bleiben.
Kritik am »Blockdenken«
Petr Bystron (AfD) monierte, dass die Bundesregierung mit der Kontinuität der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit breche. Es gehe nicht um Weiterentwicklung der Beziehungen mit dem wichtigsten Handelspartner Deutschlands, sondern um neue Abgrenzung. "Sie errichten eine neue Chinesische Mauer, statt die Seidenstraße weiter auszubauen." Die Bundesregierung folge damit blind den Vereinigten Staaten, denen China zu mächtig geworden sei. Es sei die Wiederkehr des alten Blockdenkens: "wir oder die." Dabei sei die Welt längst nicht mehr mono- oder bipolar, sondern multipolar.
Drohgebärden gegenüber Taiwan
Ulrich Lechte (FDP) kritisierte, dass China mit militärischen Drohgebärden vor allem gegenüber Taiwan im Indopazifik eine Vormachtstellung beanspruche. "Nach der bitteren Erfahrung mit Russland, welches die langjährige Freundschaft und wirtschaftliche Partnerschaft mit dem Angriff auf die Ukraine mit Füßen getreten hat, müssen wir bei unserem bisherigen Freund und Partner China nun leider umso mehr auf der Hut sein." Es gehe dabei nicht um "Entkopplung" von China, sondern um den Abbau von Verflechtungen in kritischen Bereichen, etwa um das Entfernen von Huawei-Komponenten in der kritischen Infrastruktur.
Gesine Lötzsch (Die Linke) nannte den China-Kurs der Bundesregierung "ein Spiel mit dem Feuer". Diese sehe in China einen Rivalen und eine Gefahr, dabei müsse es darum gehen, China weiter als Partner zu sehen, und dort, wo es nötig ist, als Partner zurückzugewinnen. "Kooperation schafft Sicherheit, Wirtschaftskrieg schafft Unsicherheit." Nach dem ersten Standbein der deutschen Wirtschaft, "billiges Gas aus Russland", solle nun auch das zweite Standbein, der Handel mit China, wegfallen. "Ersatzbeine gibt es aber weit und breit nicht."
Keine Entkoppelung von China
Diese Gefahr betont freilich auch die Bundesregierung in ihrer China-Strategie. Mit Sorge betrachte sie Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie etwa die Stellung der Menschenrechte, zu relativieren. Systemische Rivalität bedeute indes nicht, dass keine Zusammenarbeit möglich sei. "Im Gegenteil: Die Bundesregierung sucht die Zusammenarbeit, zu fairen Bedingungen." Eine Minderung von Risiken (De-Risking) sei dringend geboten, "eine Entkopplung unserer Volkswirtschaften (De-Coupling) lehnen wir hingegen ab".