Editorial : Welt in der Krise
Die Suche nach Lösungen wird nicht leichter, wenn Energienotstand, Störungen in den Lieferketten und Inflation in eine ernste Wirtschaftskrise führen.
Vor genau einem Jahr war der Juni schon einmal ein Monat der Weltpolitik, in dem ein Gipfel auf den anderen folgte. Und doch ist nun alles anders, wenn sich die westliche Welt bis Ende des Monats im Rahmen von EU, G7 und Nato gleich dreimal zu Gipfel-Beratungen trifft. Vor einem Jahr stand die Erleichterung im Mittelpunkt, sich wieder mit einem US-Präsidenten treffen zu können, der an einem Miteinander interessiert ist. Und es gab einen gesonderten Gipfel zwischen eben diesem Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Heute ist das unvorstellbar. Die Welt hat sich tiefgreifend verändert, der versammelte Westen wird genau dies beraten.
Dabei geht es längst nicht nur um den Ukraine-Krieg. Die Welt steckt gerade in vielen Krisen, worauf Katharina Dröge, die Co-Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, in der Debatte zur Regierungserklärung verwies und insbesondere den Klimawandel thematisierte. Doch egal auf welchem Krisenfeld nach Lösungen gesucht wird, die Suche wird nicht leichter, wenn der sich anbahnende Energienotstand, die anhaltenden Störungen in den Lieferketten und die Inflation in eine ernste Wirtschaftskrise führen. Die Unternehmen haben vielfach den Pandemieschock noch nicht überwunden, der wirtschaftliche Erholungsprozess droht nun zu kippen.
Erinnerungen an 1970er-Jahre
In dieser Situation erinnert das Finanzministerium in einem aktuellen Bericht an das Risiko einer Entwicklung wie infolge der beiden Ölpreiskrisen der 1970er Jahre: Energiepreisgetriebene hohe Inflationsraten haben die Gewerkschaften über hohe Lohnabschlüsse kompensiert. Auf die dadurch gestiegenen Kosten reagierten Unternehmen ihrerseits mit Preiserhöhungen, die in der Folge erneut hohe Lohnforderungen nach sich zogen. Das Ende war ein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit, mit der sich die Menschen noch viele Jahre nach der Krise konfrontiert sahen.
Doch auf den Gipfeln wird es erst einmal um den Mann gehen, den niemand mehr treffen will. Unternimmt der Westen genug, um Putin in der Ukraine zu stoppen? Und wie soll man künftig mit einem Land umgehen, das Eroberungsfeldzüge als Teil seiner politischen Agenda betrachtet? Die bisherige Idee einer Partnerschaft mit Russland sei "auf absehbare Zeit unvorstellbar", so Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung. Diese Feststellung scheint eine Selbstverständlichkeit.