Entwicklungsetat 2024 : Bundesregierung plant 600 Millionen Euro weniger für Entwicklung
Das zweitgrößte Geberland in der Entwicklungszusammenarbeit muss sparen. Kann es seiner globalen Verantwortung so noch gerecht werden? Im Bundestag gibt es Zweifel.
Der Rotstift macht 2024 auch vor der Entwicklungszusammenarbeit nicht halt. Ausgaben für weltweite Krisenbewältigung und den Wiederaufbau von Infrastruktur? Sollen um 22 Prozent auf 962 Millionen Euro sinken. Mittel für die Zusammenarbeit mit den Partnerländern? Will die Bundesregierung um 470 Millionen Euro auf 5,29 Milliarden Euro zusammenstreichen. Der Beitrag zum "Europäischen Entwicklungsfonds"? Ist nur noch in einer Höhe von 329,28 Millionen Euro vorgesehen (2023: 432,18 Millionen Euro). Weniger Geld soll es unter anderem auch für die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit und die vier Sonderinitiativen des Ministeriums geben.
Weniger Ausgaben auch in den kommenden Jahren
Insgesamt soll das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Führung von Svenja Schulze (SPD) nur noch 11,52 Milliarden Euro statt bisher 12,16 Milliarden Euro ausgeben dürfen. Ein Minus von 600 Millionen Euro, obwohl die Preise auch in den Partnerländern stark gestiegen sind.
Eine Momentaufnahme in Zeiten des Sparzwangs? Offenbar nicht, denn die Bundesregierung will den Gürtel des aktuell zweitgrößten Geberlandes der Welt auch in den kommenden Jahren enger schnallen: So sieht die Finanzplanung bis 2027 ein Absinken des Etats auf rund 10,3 Milliarden Euro für 2025 beziehungsweise von 10,4 Milliarden Euro für die Folgejahre vor. Auch die Verpflichtungsermächtigungen, also die Ausgabenfestlegungen, die Entwicklungsvorhaben für längere Zeit absichern sollen, schmelzen bis 2029 ganz erheblich ab.
Was das aus ihrer Sicht für die Entwicklungspolitik der Bundesrepublik und die Partnerländer bedeutet, machte Ressortchefin Schulze am Dienstag in der ersten Beratung des Entwurfs deutlich. Die Kürzungen würden Deutschlands Handlungsspielraum deutlich einschränken, warnte sie. Dabei wirke Entwicklungspolitik durch Langfristigkeit. "Es geht darum, bestehende Strukturen nachhaltig zu verändern, damit Krisen vorgebeugt wird, damit Wandel gelingen kann." Als Beispiel nannte Schulze Programme, die auf soziale Sicherheit abzielten. "Wenn Menschen sozial abgesichert sind, etwa gegen Krankheit oder Armut, stärkt das Gesellschaften wirtschaftlich und auch politisch."
Fraktionen warnen vor hohen Folgekosten
Die Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken sahen das genauso. "Wenn die globalen Herausforderungen wachsen, müssen wir unser Engagement verstärken", sagte Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen). Jedes Versäumnis könne in der Zukunft einen viel höheren Preis kosten. Brugger verwies auf die Eins-zu-eins-Regelung im Koalitionsvertrag der Ampel, wonach für jeden Euro, der für Verteidigung ausgegeben wird, ein Euro mehr für Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe oder Diplomatie investiert werden soll. "Davon sind wir im Regierungsentwurf zum Haushalt leider weit entfernt", sagte die Grünenabgeordnete.
Volkmar Klein (CDU) sprach von einem "riesigen Kontrast zu früheren Zeiten" unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), als der Entwicklungsetat fünfzehn Mal in Folge gestiegen sei. Auch sei die von der Ampel angekündigte Zeitenwende nicht erkennbar. "Zeitenwende bedeutet doch: Wir brauchen eine andere Reaktion auf die außenpolitische Realität", sagte Klein. Dazu gehöre ein Mehr an internationaler Partnerschaft und Geld.
Cornelia Möhring (Die Linke) warf der Ministerin vor, Vertrauen zu zerstören. Immer wieder habe sie von globaler Verantwortung und von der Verlässlichkeit Deutschlands für die Länder des globalen Südens gesprochen. Doch mit diesem Haushalt erreiche sie das Gegenteil. Die Bundesregierung, urteilte Möhring, kürze "auch auf globaler Ebene nur an einer Stelle, nämlich auf dem Rücken der Schwächsten".
Schulzes Parteikollegin Sanae Abdi (SPD) räumte ein, "vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe" zu stehen: Einerseits habe sie Verständnis dafür, dass die herausfordernden Zeiten eine Anpassung der finanzpolitischen Prioritäten erfordere. "Andererseits kann ich als Entwicklungspolitikerin mit der Ausstattung unseres Einzelplans vor allem auf lange Sicht nicht zufrieden sein." Sie werde Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) beim Wort nehmen, der bei der Vorstellung des Regierungsentwurfs betont habe, dass die neue geopolitische Realität auch mit finanziellen Mitteln unterlegt werden müsse.
FDP verteidigt Sparkurs im Entwicklungsetat
Claudia Raffelhüschen (FDP) verteidigte indes den Sparkurs des Ministers. "Wir müssen lernen, weltweit mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen einfach nur die Wassermenge zu erhöhen." Der Entwurf mache aus ihrer Sicht "das Bestmögliche" aus den vorhandenen Mitteln. Wichtig sei ein Höchstmaß an Transparenz bei der Mittelverwendung, ohne dabei die praktische Arbeit in Bürokratie zu ersticken.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nutzt die Generaldebatte zum Haushalt 2024 zur Vorstellung eines "Deutschlandpakts" für mehr Tempo in verschiedensten Politikfeldern. Auswärtiger Etat 2024: Baerbocks Hader mit der Bremse
Das Auswärtige Amt soll bei der humanitären Hilfe sparen. "Schmerzhaft" findet das die Ministerin. Die Opposition geht aus anderen Gründen mit ihr ins Gericht.
Lob für den schmaleren Etat kam einzig aus der AfD-Fraktion. Michael Espendiller befand, es sei "ein offenes Geheimnis, dass Entwicklungshilfe größtenteils wirkungsloser Nonsens ist". 11,5 Milliarden Euro seien daher immer noch "viel zu viel Geld". Er kündigte an, seine Fraktion werde im Zuge der Haushaltsberatungen Kürzungen um mindesten 50 Prozent beantragen.
Kritik von Entwicklungsorganisationen
Entwicklungsorganisationen hatten die Kürzungspläne der Bundesregierung schon im Vorfeld heftig kritisiert. Die Entwicklungszusammenarbeit dürfe nicht wegen höherer Verteidigungsausgaben gekürzt werden, warnte etwa die Präsidentin von "Brot für die Welt", Dagmar Pruin. Für sie steht der Haushaltsentwurf im Widerspruch zur Sicherheitsstrategie der Bundesregierung, für die auch Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe eine wichtige Rolle spielen. Die Kürzungen bei humanitärer Hilfe und Krisenprävention sollen jedoch ganz besonders drastisch ausfallen: Statt 3,33 Milliarden Euro in diesem Jahr stehen 2024 nur noch 2,2 Milliarden Euro im Etat des Auswärtigen Amtes.
Mehr Mittel für Klimafinanzierung
Das BMZ kann nur an wenigen Stellen mit einem geringfügigen Mehr an Mitteln rechnen: bei den Ausgaben für die Vereinten Nationen zum Beispiel und bei den multilateralen Hilfen zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz. Letzteres ist bedeutend, weil 85 Prozent des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung aus dem BMZ-Etat stammen.