Piwik Webtracking Image

Krieg in der Ukraine : Anklage vor hybridem Sondertribunal?

Eine strafrechtliche Verfolgung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist bei einer Anhörung des Auswärtigen Ausschusses umstritten.

13.02.2023
True 2024-04-04T15:17:50.7200Z
3 Min

Ihr Vorschlag stößt auf Widerspruch: Bereits im Kreise der EU-Außen- sowie der EU-Justizminster war Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Ende Januar mit ihrem Vorstoß für ein gemischtes Sondertribunal zur Strafverfolgung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auf wenig Zustimmung gestoßen. Und auch in einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses in der vergangenen Woche äußerten mehrere Sachverständige Zweifel an der Legitimität eines solchen Gerichts, das nach ukrainischem Recht, aber mit internationalen Richtern eingerichtet werden könnte. Die Außenministerin hatte ein hybrides Tribunal ins Gespräch gebracht, da eine Strafverfolgung durch den Internationale Strafgerichtshof (IStGH) derzeit nicht möglich ist. Weder die Ukraine noch Russland haben das Römische Statut ratifiziert, welches die rechtliche Grundlage des IStGH bildet.

Einer der Befürworter des Vorschlags war Frank Hoffmeister von der Freien Universität Brüssel: Er hielt das von Baerbock vorgebrachte Sondertribunal für "völkerrechtlich solide und politisch sinnvoll". Ein solches "hybrides Tribunal" könne sich auf ukrainisches Recht stützen und durch internationale Richter eine zusätzliche Legitimation erhalten, "ohne den Internationalen Strafgerichtshof zu schwächen"´.

Experte sieht "gravierende Nachteile"

Eine "ganze Reihe gravierender Nachteile" des hybriden Modells sah hingegen Claus Kreß von der Universität Köln. Gerade der Hauptverdächtige, Russlands Präsident Wladimir Putin, würde vor einem "im Kern ukrainischen Gericht" nach dem bisherigen Stand der internationalen Rechtsprechung Immunität genießen. "Ich rate dringend davon ab, sich auf das hybride Modell festzulegen", sagte Kreß. Ziel müsse ein internationales Sonderstrafgericht "mit dem Segen der UNO-Generalversammlung" sein.

Christian Walter von der Ludwig-Maximilians-Universität München warb dafür, den Weg über eine Änderung des Römischen Statuts nicht von vorneherein auszuschließen. Ein internationales Sondertribunal sei nur die "zweitbeste Lösung", befand er. Ebenso wie eine Änderung des Römischen Statuts sei auch dieser Weg mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich der möglichen Mehrheiten auf globaler Ebene verbunden.

Außenministerin Baerbock will ein gemischtes Sondertribunal.   Foto: picture alliance/dpa/C. Gateau

Der ehemalige außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norman Peach, zog die Legitimität der Staaten, die ein Sondertribunal fordern, angesichts ihrer "offen völkerrechtswidrigen Kriege" gegen Jugoslawien 1999, Irak 2003, Libyen 2011 und Syrien 2014 in Zweifel. Auch gebe es "extralegale Tötungen im Krieg gegen den Terror". In all diesen Fällen der Verletzung des Völkerrechts habe es weder strafrechtliche Ermittlungen durch den IStGH noch die Forderung nach einem Sondertribunal gegeben, so Peach.

Gerd Seidel von der Humboldt Universität Berlin befürchtete durch die Einrichtung eines Sondertribunals eine Schwächung des IStGH: "Zumindest außerhalb Europas könnte der Eindruck einer selektiven Justiz entstehen", gab Seidel zu bedenken. Im Jemen etwa, wo ein Stellvertreterkrieg mit einer halben Millionen Toten geführt werde, stehe die Forderung nach einem Sondergericht nicht im Raum. Ebenso wenig habe es diese nach dem Irakkrieg mit mehr als 100.000 Toten gegeben.

"Alle Verbrechen von allen ahnden"

Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam warnte vor "ahistorischen Vergleichen". Die Einzigartigkeit des Angriffskrieges auf die Ukraine sei nicht von der Hand zu weisen. Zimmermann hielt es für wünschenswert, in der UN-Generalversammlung eine möglichst große Mehrheit für die Schaffung eines Sondertribunals zu erreichen, "gerade auch unter Einbeziehung von Ländern des globalen Südens". So könnte Einwänden zur Legitimität des Tribunals begegnet werden.

Susanne Buckley-Zistel von der Philipps-Universität Marburg sprach sich dafür aus, das "Kernverbrechen des Angriffskrieges" nicht von anderen Verbrechen zu trennen. Alle Kernverbrechen müssten geahndet werden. Das gelte für russische Kriegsverbrechen ebenso wie für ukrainische Kriegsverbrechen, sollten diese stattfinden. "Für die Akzeptanz des Sondertribunals ist es wichtig, dass alle Verbrechen von allen geahndet werden", sagte Buckley-Zistel.