Kostenbremse für Energiepreise : Limit für Gaseinfuhren - oder doch lieber Subventionen?
Viele EU-Staaten wollen die hohen Gaspreise deckeln. Bei der Frage, wie das gelingen kann, liegen die Positionen aber weit auseinander.
Rund 120 Euro kostet die Megawattstunde Gas in diesen Tagen. Das ist deutlich weniger als der Spitzenpreis von 300 Euro im Sommer, aber auch deutlich mehr als die Marke von 50 Euro, die in der EU angestrebt wird. Das Thema wird beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag im Mittelpunkt stehen. Allerdings ist höchst umstritten, wie genau die Politik die Energiepreise so abfedern kann, dass Haushalte und Unternehmen gut durch den Winter kommen. 17 von 27 EU-Mitgliedstaaten fordern einen Gaspreisdeckel. Im Detail haben sie davon aber sehr unterschiedliche Vorstellungen. Manche Länder wollen ein Limit für Gas-Einfuhrpreise, andere Obergrenzen im innereuropäischen Gashandel. Wieder andere fordern Subventionen für Gas, das in der Stromerzeugung eingesetzt wird.
Kommission will neue Vorschläge vorlegen
Beim informellen EU-Gipfel Anfang des Monats in Prag wurde bereits sichtbar, wie weit die Positionen auseinander liegen. An diesem Dienstag wird die EU-Kommission neue Vorschläge als Diskussionsgrundlage für den Gipfel vorlegen. Doch auch dort wird noch kein Durchbruch erwartet. Eine Einigung soll es erst im November geben, ehe es in Europa richtig kalt wird.
Die Bundesregierung lehnt einen Gaspreisdeckel für Einfuhrpreise strikt ab. Sie befürchtet, dass Gas in andere Regionen der Welt umgeleitet wird, wenn EU-Staaten nur noch einen bestimmten Preis für Gaslieferungen bezahlen. Schiffe mit LNG-Ladungen könnten nach Asien abdrehen, wenn dort ein höherer Ertrag zu erwarten ist. Die EU-Kommission teilt die Einschätzung.
Gemeinsam mit den Niederlanden macht sich die Bundesregierung stattdessen für den gemeinsamen Einkauf von Gas stark. Bislang hatte sie die Plattform der EU-Kommission, die einen solchen gemeinsamen Einkauf organisieren soll, allerdings systematisch ausgebremst. Gerade kleine Länder wie Österreich waren frustriert, dass der gemeinsame Einkauf nicht vorankam. Beobachter gehen sogar davon aus, dass der Gaspreis im vergangenen Sommer so stark stieg, weil Deutschland Gas kaufte, um seine Speicher zu füllen.
Gemeinsamer Gas-Einkauf ab 2023 geplant
Dass Länder sich gegenseitig überbieten, soll der gemeinsame Einkauf verhindern. EU-Energiekommissarin Kadri Simson will ihn ab 2023 auf den Weg bringen. Offenbar will sie europäische Unternehmen, die Gas einkaufen, verpflichten, das zu einem bestimmten Prozentsatz über die Plattform abzuwickeln. Leichter ließe sich das sicherlich bei Unternehmen durchsetzen, die sich - wie der Energiekonzern Uniper - in Staatsbesitz befinden.
Eine andere Variante, die Energiepreise zu senken, wäre das Modell, das Spanien und Portugal bereits umsetzen. Beide haben den Strompreis vom Gaspreis entkoppelt. Verbraucher wurden so entlastet - allerdings mit der Nebenwirkung, dass der Stromverbrauch gestiegen ist, statt zu sinken.Länder wie Deutschland und die Niederlande warnen davor, dass ein Eingriff in die Energiemärkte nicht dazu führen dürfe, dass mehr Energie verbraucht werde. EU-Energiekommissarin Simson erwägt daher verpflichtende Energieeinsparziele für diesen Winter.
Überlagert wird die Diskussion von dem 200 Milliarden Euro-Entlastungspaket der Bundesregierung, das die steigenden Energiekosten für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen abfedern soll. In kleineren EU-Mitgliedstaaten, aber auch in Brüssel, kam das unabgestimmte Vorgehen der Bundesregierung schlecht an. Es entstand der Eindruck, Deutschland bremse in Brüssel beim Gasdeckel, unterstützte aber im Inland Haushalte und Unternehmen sehr großzügig. Finanzminister Christian Linder (FDP) versuchte im Kreis der EU-Finanzminister die Wogen zu glätten: Er wies darauf hin, das deutsche Programm laufe bis 2024. Relativ zum Bruttoinlandsprodukt sei der deutsche Schirm nicht größer als die Summen, die andere EU-Länder bereits zur Entlastung bereitgestellt hätten.
Sorge vor Verzerrung des Wettbewerbs
Trotzdem befindet sich die Bundesregierung in einem Dilemma. Gegenüber den eigenen Bürgern will sie den Eindruck erwecken, stark zu agieren. Gegenüber den anderen EU-Mitgliedern darf sie nicht den Eindruck erwecken, den Wettbewerb zu verzerren.
Genau das hatten der italienische EU-Kommissar Paolo Gentiloni, zuständig für Wirtschaft, und sein französischer Kollege Thierry Breton, zuständig für Binnenmarkt, der Bundesregierung vorgeworfen. Sie warben dafür, gemeinsam Schulden aufzunehmen. Die Bundesregierung hat ihre Ablehnung dazu aufgegeben, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mit diesen gemeinsamen Schulden Kredite finanziert werden. Zuschüsse wie sie im Corona-Hilfsprogramm RRF vorgesehen sind, soll es nicht geben. Das neue Instrument soll sich am SURE-Programm orientieren, das von der EU-Kommission geschaffen wurde, damit Mitgliedstaaten während der Corona-Krise Kurzarbeitsprogramme aufsetzen können. Sie erhalten dafür zu günstigeren Konditionen Kredite.
Bei steigenden Zinsen wird ein solches Programm zusehends attraktiver für Länder mit schwächerer Bonität. Italien etwa hat seine Kapitalkosten gerade steigen sehen, weil die Finanzmärkte Wahlsiegerin Giorgia Meloni skeptisch gegenüber stehen. Mittelfristig will die EU auch den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln. 2023 will die Kommission dazu einen Vorschlag vorlegen. Ökonomen warnen jedoch vor einem neuen Design des Strommarkts - Investitionen in erneuerbare Energien könnten sich dann nicht mehr rechnen, fürchten sie.
Immerhin in einem Punkt haben sich die EU-Staaten Ende September geeinigt: Übergewinne von Stromproduzenten, aber auch von Öl-, Kohle- und Gasunternehmen sowie Raffinerien sollen abgeschöpft werden, um Entlastungen für die Bürger zu finanzieren.
Die Autorin ist Korrespondentin der "Wirtschaftswoche" in Brüssel.