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Nach der Wahl : Wahlsieger Wilders findet keine Partner zum Regieren

Bisher will niemand mit dem Rechtsaußenpolitiker Geert Wilders koalieren. Die Regierungsbildung könnte sich Monate hinziehen – und Wilders am Ende leer ausgehen.

30.11.2023
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4 Min

Geert Wilders wählte seine Worte sorgfältig: Nachdem sich sein erdrutschartiger Überraschungssieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen (siehe Stichwort) abgezeichnet hatte, rief er die anderen Parteien in der Wahlnacht auf, über ihren Schatten zu springen: "Jetzt geht es darum, Übereinstimmungen zu finden und zusammenzuarbeiten", mahnte er. Bisher wurde der Rechtsaußen der niederländischen Politik von fast allen anderen Parteien wegen seiner Islamhetze ausgeschlossen.

Foto: picture alliance / ROBIN UTRECHT

Er ist das einzige Mitglied seiner Partei PVV: Rechtsaußenpolitiker Geert Wilders. Bei den Wahlen Ende November triumphierte er überraschend.

Als Regierungspartei werde seine "Partei für die Freiheit" (PVV) nicht versuchen, gegen Verfassung und Grundrechte zu verstoßen, beteuerte der Mann, der bereits wegen Gruppenbeleidigung und Anstiftung zur Diskriminierung verurteilt worden ist und das niederländische Abgeordnetenhaus als "Scheinparlament" bezeichnet hat.

Wilders will Zugeständnisse machen

Wilders ist klar, dass er für ein mehrheitsfähiges Kabinett in der zersplitterten niederländischen Parteienlandschaft mindestens zwei Koalitionspartner braucht. Schon in der letzten Phase des Wahlkampfs hatte der 60-Jährige deshalb betont, zu Konzessionen bereit zu sein. Die Eindämmung des angeblichen "Asyltsunamis" habe für ihn absolute Priorität, dafür werde er andere Vorhaben wie etwa ein Verbot des Koran und das Schließen aller Moscheen vorerst auf Eis legen, erklärte er.

Die Niederländer stellen sich auf lange Koalitionsverhandlungen ein. Acht bis neun Verhandlungsrunden sind ohnehin ganz normal. Das vierte und letzte Kabinett des rechtsliberalen Langzeitpremiers Mark Rutte stand erst nach 299 Tagen - ein Rekord, der nun gebrochen werden könnte.

Erster Sondierung endet im Chaos 

Schon zum Start sorgte Wilders PVV für Chaos. Der von ihm vorgeschlagene Sondierer ("verkenner"), der in den Niederlanden nach einer Wahl ernannt wird, um hintereinander mit allen Fraktionsvorsitzenden die Chancen potenzieller Koalitionen auszuloten, trat gleich am Montag wieder zurück. Es war bekannt geworden, dass sein letzter Arbeitgeber aufgrund "dubioser finanzieller Konstruktionen" Betrugsvorwürfe gegen ihn erhoben hatte. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt, der ehemalige sozialdemokratische Minister Ronald Plasterk. Er will im Laufe der nächsten Woche seinen Bericht vorlegen.

Bisherige Regierungspartei erteilt Absage

Wilders Traumkoalition wäre eine Mitte-Rechts-Regierung mit der bisherigen rechtsliberalen Regierungspartei VVD, dem erst im August gegründeten "Neuen Sozialen Kontrakt" NSC und der BauerBürgerbewegung BBB von Caroline van der Plas. Zu viert hätten sie eine komfortable Mehrheit. Doch bisher zeigte sich nur die BBB sprungbereit. VVD-Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz hingegen überraschte Freund und Feind mit der Ankündigung, ihre Partei werde einer Regierung mit Wilders nicht beitreten, sei aber gegebenenfalls bereit, eine Minderheitsregierung zu unterstützen. "Wir haben zehn Sitze verloren, uns kommt eine andere Rolle zu", so Yesilgöz. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sie sich ein paar Verhandlungsrunden später doch noch bereit zeigt, einem Kabinett mit der PVV beizutreten.


„Man kann die Wahlen gewinnen, aber die Regierungsbildung verlieren.“
Luuk van Middelaar, Historiker

Tatsächlich sind Wilders' Aussichten auf ein Mehrheitskabinett ohne VVD gleich Null, selbst wenn er NSC-Chef Pieter Omtzigt für sich gewinnen könnte. Der jedoch hatte bereits im Wahlkampf große Zweifel an einer Koalition mit der PVV geäußert, weil Wilders Grundrechte und Verfassung nicht respektiere. Eine Zusammenarbeit würde in der noch jungen Partei zu Spannungen und Mitgliederaustritten führen.

Sollte Omtzigt bei seinen Vorbehalten bleiben, könnte Wilders ein Minderheitskabinett nur aus PVV und BBB bilden. "Links herum könnte er dann versuchen, für seine sozialökonomischen Ziele Mehrheiten zu finden, rechts herum für eine restriktivere Asyl- und Migrationspolitik", sagt der Amsterdamer Politikwissenschaftler André Krouwel.

Bekannt für seinen autoritären Stil

Alternativ könnte Wilders ein Kabinett aus externen Experten zusammenstellen. Er bräuchte dann nicht selbst Ministerpräsident zu werden - was sich auch weder ein Großteil seiner Landsleute noch er selbst und seine Partei bislang so richtig vorstellen können. Wer leitet dann die auf 37 Abgeordnete angeschwollene PVV-Fraktion? Wilders müsste delegieren, das ist er nicht gewohnt; bisher hat er wie ein autoritärer Herrscher über die Fraktion regiert.

In Deutschland würde die PVV als Partei erst gar nicht zugelassen werden: Sie hat nur ein Mitglied und das ist Wilders selbst.

Sieger könnte im Abseits landen

Scheitert auch ein Expertenkabinett, muss Wilders aufpassen, dass er nicht im Abseits landet: "Man kann die Wahlen gewinnen, aber die Regierungsbildung verlieren", weiß der niederländische Historiker Luuk van Middelaar. Das ist schon 1971 und 1977 passiert. Beide Male siegten die Sozialdemokraten, doch es gelang ihnen nicht, sich mit den Christdemokraten zusammenzuraufen. Die fanden daraufhin willige Partner für ein Mitte-Rechts-Kabinett.

Vorgezogene Parlamentswahlen in den Niederlanden

👉 Der islamfeindliche Politiker Geert Wilders hat mit seiner Partei für Freiheit bei den vorgezogenen Parlamentswahlen einen unerwarteten Erdrutschsieg errungen. Sie stellt künftig 37 von 150 Abgeordneten im Unterhaus. Sein Ergebnis von 2021 hat er nahezu verdoppelt.

👉 Auf Platz zwei landete mit 25 Sitzen ein neues Linksbündnis der Mitte-links-Arbeiterpartei und der Grünen Linken. Vorsitzender ist Ex-EU-Kommissions-Vize Frans Timmermans.

👉 Die bisherige Regierungspartei VVD des scheidenden Premierministers Mark Rutte kommt nur noch auf 24 Parlamentssitze. Auf Platz vier landete mit 20 Sitzen die neu gegründete Partei Neuer Gesellschaftsvertrag (NSC) des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt.



Auf die jetzigen Wahlen übertragen, würde das bedeuten, dass sich die Rechtsliberalen mit dem neuen Linksbündnis aus Grünen und Sozialdemokraten von Frans Timmermans zusammentun, das zweitgrößte Fraktion wurde. "Die beiden Parteien könnten einen Deal aushandeln", sagt Krouwel: Yesilgöz wird Ministerpräsidentin und Timmermans bekommt dafür zusätzliche Ministerposten. Oder die beiden teilen sich das Amt: Zwei Jahre ist Timmermans Premier, zwei Jahre Yesilgöz.

Allerdings würde es dazu erst kommen, wenn sämtliche Versuche von Wilders, eine rechte Regierung zu bilden, gescheitert sind. Bis dahin sei es Spätsommer, meint Krouwel.

Die Autorin berichtet als freie Korrespondentin aus Den Haag.