Rückgabe von Kunstschätzen : Streit um die Benin-Bronzen
Die Koalition verteidigt die Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria ohne Auflagen. Die AfD spricht hingegen von einem "Scheitern der Restitution".
Die Entscheidung des nigerianischen Präsidenten, die aus deutschen Museen zurückgegebenen Benin-Bronzen dem Oba (König) des ehemaligen Königreichs Benin und damit einer Privatperson zu übereignen, hat im Bundestag ein geteiltes Echo ausgelöst.
Die AfD-Fraktion sprach am vergangenen Freitag in einer von ihr verlangten Aktuellen Stunde vom "Scheitern der Restitution". Die Koalitionsfraktionen verteidigten die Entscheidung der Bundesregierung, die Kunstschätze bedingungslos an das Herkunftsland zurückzugeben.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (links) und Außenministerin Annalena Baerbock übergeben die Benin-Bronzen im Dezember 2022 in Berlin.
Im vergangenen Jahr waren mehr als 1.000 Artefakte aus deutschen Museen an Nigeria zurückgegeben worden. Die britische Kolonialmacht hatte die Skulpturen und anderen Kunstschätze 1897 erbeutet und nach Europa verbracht, viele gelangten auch nach Deutschland.
Die Bundesregierung beteiligt sich finanziell am Bau eines Museums in Nigeria in der Erwartung, dass die zum Weltkulturerbe zählenden Objekte für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
AfD verlangt den Rücktritt von Kulturstaatsministerin Roth
Deutschland habe sich vor der Welt blamiert und der Demütigung preisgegeben, schimpfte der AfD-Kulturpolitiker Marc Jongen. Er sah darin zugleich ein Symptom für das Regierungshandeln auf anderen Politikfeldern: die Regierung vertreibe die Wirtschaft und schröpfe die Menschen.
Sein Fraktionskollege Matthias Moosdorf sagte, die Regierung habe vier Millionen Euro für den Museumsbau vergeudet, Kulturstaatsministerin Claudia Roth müsse zurücktreten. Er verlangte, die weitere Ausfuhr von Kunstschätzen zu stoppen.
Nach Ansicht der SPD geht es darum, koloniales Unrecht zu beheben
Michelle Müntefering (SPD) erinnerte daran, dass sie bereits in der vergangenen Wahlperiode zusammen mit der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die Restitution der Benin-Bronzen in die Wege geleitet habe. Mit der Rückgabe gehe es auch darum, koloniales Unrecht zu beheben.
Die Rückgabe sei ohne Auflagen erfolgt. In Nigeria werde das deutsche Engagement sehr geschätzt. Für Helge Lindh (SPD) ist die Aktion des nigerianischen Präsidenten eine Demonstration, was es bedeutet, "die Kontrolle abzugeben".
Union kritisiert, die Bronzen seien in der Versenkung verschwunden
Dorothee Bär (CSU) vermisste Selbstkritik bei Müntefering. Die Regierung mache es sich zu leicht, es gehe um die Verantwortung für die Bewahrung des kulturellen Erbes. Die Bronzen seien in der Versenkung verschwunden und im Privatbesitz eines Königs. Damit sei die Restitution missglückt.
Das mit deutschen Steuergeldern geförderte Museum werde die Bronzen wohl nie erblicken, mutmaßte Bär. Ansgar Heveling (CDU) nannte die jüngste Entwicklung ein Debakel. Roth und Außenministerin Baerbock habe der Sinn dafür gefehlt, was mit der Rückgabe der Bronzen an Nigeria alles geschehen könnte. Wichtig seien bei der Rückgabe Augenmaß, partnerschaftliche Kooperation und die nötige Zeit.
Die Benin-Bronzen werden nach Nigeria übertragen. Der Streit über Schätze im kolonialen Kontext geht weiter. AfD will Neuausrichtung der Kulturpolitik: "Die widerlichste und unerträglichste Provokation"
Anträge der AfD zur Restitution und zur grundsätzlichen Neuausrichtung der deutschen Kulturpolitik stoßen auf klare Ablehnung bei den anderen Fraktionen.
Grüne und FDP sprechen von einer innernigerianischen Angelegenheit
Für die Grünen erklärte Awet Tesfaiesus, an gestohlenem Eigentum könne kein Recht erworben werden. Wer wie die AfD argumentiere, bringe zum Ausdruck, dass man den Nigerianern nicht zutraue, mit wertvoller Kunst umzugehen.
Ihr Fraktionskollege Erhard Grundl und der FDP-Abgeordnete Thomas Hacker sprachen von einer "innernigerianischen Angelegenheit". Das letzte Wort werde wohl die kommende Regierung Nigerias sprechen, sagte Hacker, denn über den Zugang für die Öffentlichkeit sei noch nicht entschieden. Martina Renner (Die Linke) sprach von einem "Kolonialrevisionismus" der Rechten und nannte die Restitution "richtig und wichtig".